500 Jahre Reformation & Luther feiern sind zu viel!

In diesem Jahr endet die 2008 begonnene Lutherdekade der evangelischen Kirche mit dem 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. In der öffentlichen Debatte und in den Schulen wird meist einseitig betont, dass Luther „der mutige Kämpfer gegen die katholische Übermacht“ gewesen sei, „die arme Gläubige mit Ablassbriefen ausbeute“. Die Initiative Gegen die Helden möchte hingegen einen zeitgemäßen Blick auf den zweifelhaften Jubilar werfen.

Ihr feiert einen Wegbereiter der protestantischen Erwerbsethik

500 Jahre Reformation beflügelten Kapitalismus und Lohnarbeit in enormer Dimension und kreierten das unangefochtene Mantra der Gegenwart: Ich arbeite, also bin ich. Der Arbeitsfanatiker Luther („Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“) meinte, das diverse Auserwählte bereits mit ihrer Geburt für das Paradies prädestiniert wären und deswegen allein irdische Erfolge, Fleiß und harte Arbeit Indikatoren für die bevorstehende Erlösung seien.

Seine Gedanken hatten schwerwiegende Folgen. Die damals selbstverständlich bestehende Allmende (öffentliche Güter) wurde der Allgemeinheit, oftmals in blutigen Szenen, entrissen und erschuf Lohnabhängige en masse. Diese mussten ihr Überleben sichern, in dem sie das einzige Eigentum, was ihnen geblieben war, auf dem Markt anboten: ihre eigene Arbeitskraft. Im weiteren Verlauf entstand ein neuartiger Begriff der Arbeit: sie wurde vom notwendigen Übel zur fiktiven heilbringende Berufung. Infolge dessen etablierten sich der bis in die Gegenwart unerschütterliche Irrglaube, nur (lohn-)arbeitende Menschen seien in einer Gesellschaft nützlich und alle Erwerbslosen stellen eine Belastung für die selbige dar. Obendrein bringt Lohnarbeit gesellschaftliche Bestätigung hervor, wohingegen unbezahlte „Hausarbeit“ chronisch als Trivialität angesehen und an den Rand der Gesellschaft geschoben wird.

Ihr feiert einen dogmatischen Sexisten

Luther schuf die wesentliche Prämisse für die Marginalisierung der Frau der protestantischen Welt, indem er ihnen die Aufgabe „Hausarbeit und Männer gebären“ als gottgegebene Bestimmung aufs Auge drückte. Neben der Konstruktion des Bildes einer bürgerlichen Frau unterstützte Luther einen grausamen Disziplinierungsprozess, durch den als Hexen bezeichnete Frauen als „Wissende“, „Verderbte“ und vor allem „Sündige“ stigmatisiert und umgebracht wurden („die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen… Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.“, 1526).

Ihr feiert einen fanatischen Antisemiten

Primär muss zwingend bedacht werden, dass Martin Luther ein relevanter Teil einer langen Geschichte des christlichen Antijudaismus und christlicher Gewalt gegen Jüd*innen war. Seine Werke (Bspw. „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543) und deren Rezeption, waren ein Beweggrund für die Entstehung und Verwirklichung einer nationalsozialistischen Ideologie.

Luther stellte die Frage „Was sollen wir als Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ Seine Antwort waren sieben Schritte, die zynisch als „scharfe Barmherzigkeit“ betitelte: Mensch solle Synagogen verbrennen, Häuser zerstören, deren Bewohner*innen in Ställen unterbringen, Gebets- und Talmudbücher wegnehmen, Rabbiner*innen das Lehren unter Androhung der Todesstrafe verbieten, Händler*innen ihr Wegerecht entziehen, weiterhin ihnen das Geldgeschäft verbieten und all ihr Bargeld und ihren Schmuck enteignen. Abschließend sollten, Luthers Ansicht nach, alle jungen Jüd*innen ihr Brot im „Schweiße ihres Angesichts mit harter Arbeit“ verdienen.

Luthers Schriften sprachen Jüd*innen die Menschenrechte ab und formulierte wesentlich das Muster der Schoah im Nationalsozialismus. Unsere Gesellschaft glorifiziert beharrlich jenen Autor, der von Nationalsozialisten in den Nürnberger Prozessen als Legitimatiosgrundlage für ihr barbarischen Handeln genutzt wurde.

Danke für Nichts!

Martin Luther wird als Freiheitskämpfer, Humanist und Retter des Christentums betrachtet. Diese Rezeption ist eine Illusion sondergleichen und hat nur unter großer Verdrängungsleistung Bestand.Seine Unterstützer*innen und die protestantische Kirche verteidigen ihn als „Kind seiner Zeit“ und deuten seine barbarischen Offenbarungen mit allerlei Interpretationsgeschick um, damit sie den Mythos eines „deutschen Helden“ aufrecht erhalten können.

Der Reformator, der die christliche Religion aus einer Krise befördert haben soll, wird durch einen kritischen Blick derjenige, der eine neue Krise an das Ende der alten Misere gesetzt hat. Dieser Konten wir allerdings bis heute nicht entfliehen. Es wird Zeit für eine deutsche Kritik, die den öffentlichen Mythos eines „barmherzigen Reformators“ zerstört und eine zeitgemäße Debatte nach den Idealen eines konsequenten Humanismus fördert.

500 Jahre Reformation – kein Grund zum Feiern!

Es wird Zeit für eine kritische Auseinandersetzung!