AfD in Baden-Württemberg: „Krasser als die NPD“?

Claudia Martin, seit den vergangenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg Abgeordnete für die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD), verlässt ihre Partei. Der Grund: ein internes Papier, dass dem „Madagaskar-Plan“ der Nazis ähnelt.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

Die baden-württembergische AfD-Abgeordnete Claudia Martin kehrt ihrer Partei den Rücken. Ihre Begründung ist heftig. Die AfD sei zu extrem, ausländerfeindlich und sogar krasser als die NPD. [1] Die AfD spiele vor allem in der Flüchtlingspolitik mit rechtspopulistischen Aussagen, grenze sich nicht ab vom Extremismus und habe jede Fähigkeit zur Selbstkritik verloren, sagte die Politikerin am Samstag in Stuttgart. [2]

„Bei der AfD gibt es Papiere in den Schubladen“, sagte Martin der „FAZ“, „die sind krasser als das, was die NPD früher wollte.“ In einem Papier, das nach ihrer Auskunft der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Emil Sänze mit in Auftrag gegeben haben soll, wird angeblich vorgeschlagen, Asylbewerber in Sonderlagern zu kasernieren und sie dort als Aufbauhelfer für die Rückkehr in ihre Heimat vorzubereiten. Martin hält diese Vorschläge für grundgesetzwidrig und fühlt sich offenbar an den „Madagaskar-Plan“ der Nationalsozialisten aus dem Jahr 1940 erinnert. Dabei handelt es sich um einen im damaligen Reichsministerium des Auswärtigen entstandenen Plan, Juden aus Europa auf die damals zum französischen Kolonialgebiet gehörende Insel auszusiedeln, um sie dort zu einer „agrarischen Tätigkeit“ zu zwingen. [3]

AfD-Fraktion zerlegt sich weiter

Die Abgeordnete lehnte Forderungen der baden-württembergischen AfD-Fraktion ab, ihr Mandat zurückzugeben. Fraktionschef Jörg Meuthen, der auch Bundesvorsitzender ist, warf Martin „falsches Spiel“ und „Heuchelei“ vor. [4]

Nach dem Austritt des Abgeordneten Wolfgang Gedeon schrumpft die stärkste Oppositionsfraktion auf 21 Abgeordnete. Die Partei war bei der Landtagswahl am 13. März aus dem Stand drittstärkste Kraft nach den Grünen und der CDU geworden. [5]

Die anderen Parteien im Stuttgarter Landtag bescheinigten der AfD einen Auflösungsprozess. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte: „Für Abgeordnete mit gemäßigten und vernünftigen Ansichten ist in der AfD ganz offensichtlich kein Platz.“ [6]

Die SPD-Fraktion bescheinigte der AfD Politikunfähigkeit. „Nachdem sich die Fraktion erst getrennt und dann wieder vereint hat, ergreift nun eine Abgeordnete die Flucht und begründet dies ausdrücklich mit dem Rechtsruck der AfD“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Reinhold Gall. Meuthen könne „den Laden“ offensichtlich nicht mehr zusammenhalten. [7]

Flügelkämpfe in der AfD

Wie in vielen Landesverbänden wird offenbar auch in Baden-Württemberg der Richtungskampf der Bundespartei ausgefochten. Wie der SWR berichtet, hatte Björn Höcke im November auf einer Veranstaltung in Ludwigsburg Vertreter seines Flügels aufgefordert, bei den anstehenden Parteitagen „maximal“ Präsenz zu zeigen, „damit die Richtigen nach Berlin kommen“. Er meine damit die Anhänger der „Erfurter Resolution“, in dem Dokument finden sich Bezüge zu Pegida und zur inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“. [8]

Fußnoten:

[1] https://www.tag24.de/nachrichten/afd-abgeordnete-tritt-aus-die-sind-krasser-als-die-npd-claudia-martin-baden-wuerttemberg-joerg-meuthen-193430

[2] http://www.huffingtonpost.de/2016/12/17/abtruennige-abgeordnete-afd-stimmenfang-rechte-gruppen-_n_13690792.html

[3] http://www.n-tv.de/politik/AfD-Abgeordnete-verlaesst-Fraktion-und-Partei-article19351096.html

[4] http://www.huffingtonpost.de/2016/12/17/abtruennige-abgeordnete-afd-stimmenfang-rechte-gruppen-_n_13690792.html

[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article160386793/Die-AfD-hat-den-Blick-auf-die-Menschen-verloren.html

[6] https://www.welt.de/politik/deutschland/article160386793/Die-AfD-hat-den-Blick-auf-die-Menschen-verloren.html

[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article160386793/Die-AfD-hat-den-Blick-auf-die-Menschen-verloren.html

[8] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-12/afd-claudia-martin-austritt-baden-wuerttemberg