Literaturtipp: „Russlands Krieg 1941-1945“ von Richard Overy

Richard Overys Buch „Russlands Krieg 1941-45″.

 

Die Operation „Barbarossa“ – der deutsche Überfall auf die Sowjetunion – ist der gewalttätigste Feldzug der faschistischen Wehrmacht. Nicht zuletzt deshalb ist über den erklärten Vernichtungskrieg in der Wissenschaft am meisten geschrieben worden.

Meistens standen dabei jedoch bestimmte Einzelaspekte und –perspektiven im Zentrum des Interesses der jeweiligen Autor*innen. Eine wirkliche Gesamtdarstellung, die die Geschehnisse und Bedeutungen des Krieges zwischen Hitler-Deutschland und der Sowjetunion aus der Totalperspektive erfasst und analysiert hätte, ist bis vor einigen Jahren noch nicht erschienen. Ein Grund dafür dürften die zahlreichen verschlossenen Archive gewesen sein.

Seit Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre hat sich die Datenlage für die Forschung radikal verbessert. Zahlreiche Spezialstudien diesen Krieg betreffend konnten erstellt damit den „Ostfeldzug“ der deutschen Armeen und ihrer Verbündeten von allen Seiten immer heller beleuchtet werden. Der britische Militärhistoriker Richard Overy hat die Fülle der Forschungsergebnisse zu einer Gesamtansicht verdichtet. Dabei bezieht er in seine Darstellungen auch die Vorgeschichte der sowjetischen Verteidigungspolitik mit ein.

Als Hitler seine Militärmaschinerie in Bewegung setzte, um die Sowjetunion zu unterwerfen, tat er dies im Glauben an die eigene militärische – und völkische – Überlegenheit. Tatsächlich waren die deutschen Anfangserfolge mehr als erschreckend. Dass sich das Blatt doch wendete, hat seine Ursache unter anderem darin, dass Stalin gerade noch rechtzeitig einsah, dass er die konkreten militärischen Entscheidungen diejenigen treffen lassen sollte, die vom Kriegshandwerk unzweifelhaft mehr verstanden als er. Wie jede andere Einsicht vor und während dieses Krieges blieb auch diese dem deutschen „Führer“ versagt. Und so wurden im Laufe des Krieges nicht nur auf der sowjetischen Seite die richtigen, sondern zugleich und in zunehmendem Maße auf der deutschen Seite die falschen Entscheidungen getroffen. Eine weitere entscheidende Voraussetzung des sowjetischen Sieges darf natürlich nicht vergessen werden: die schier unbeschreibliche Leidensfähigkeit der sowjetischen Völker. „Man hat es schwer sich vorzustellen, dass die Schlacht um Stalingrad von US- oder britischen Truppen geschlagen worden wäre“ schreibt Overy in dem Artikel über den Kampf um die Wolga-Metropole.

Nach dem Krieg war es Stalin, welcher sich als den eigentlichen, wahren Sieger des „Großen Vaterländischen Krieges“ feierte und feiern ließ. Mit dem Sieg über das faschistische Deutschland und seine Verbündeten war die Sowjetunion zur Weltmacht aufgestiegen.

Overys Überblicks Werk unternimmt den bürgerlichen Versuch einer objektiven Gesamtdarstellung. Die differenzierte Analyse des „Großen Vaterländischen Krieges“ und dessen Vorgeschichte nötigt Respekt ab und lässt das über 500 Seiten starke Werk zu einem „Muss“ für Alle werden, die sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Blütezeit des Faschismus in Europa befasst.