Nach Enthüllung privater Chatnachrichten: Holger Arppe steht weiter in der Kritik

Demonstration von “Aufstehen gegen Rassismus”. Ein Aufschrei gegen die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD). (Foto: U. Stephan, r-mediabase). Quelle: antifa.vvn-bda.de

Nach Bekanntwerden privater Chatnachrichten des ehemaligen Rostocker AfD-Politikers Holger Arppe reißt das Entsetzen nicht ab. Neben Vertreter*innen anderer Parteien zeigen sich auch Verbände und sogar Politiker*innen der AfD entsetzt. Selbst Arppes Wahlkreismitarbeiter geht auf Distanz und kündigt das Arbeitsverhältnis auf. Die Forderungen nach Arppes Rückzug aus dem Landtag und der Rostocker Bürgerschaft werden lauter.

Von Franziska Wilke, Julian Feller und Marko Neumann

Nach den Enthüllungen über angeblich gewaltverherrlichende Internet-Äußerungen des früheren AfD-Politikers Holger Arppe werden die Rufe nach einem vollständigen Rückzug des 44-Jährigen aus der Politik immer lauter. Nicht nur aus den Reihen der anderen im Parlament Mecklenburg-Vorpommerns vertretenen Parteien kam diese Forderung, sondern auch von Verbänden und Gewerkschaften sowie von der AfD selbst. Nach dem Bekanntwerden von Chatprotokollen mit Gewaltäußerungen und Sexualfantasien, die Medienberichten zufolge zum Teil Arppe zugeschrieben werden, hatte dieser am Donnerstag zwar Partei und Landtagsfraktion verlassen, sein Mandat aber als parteiloser Abgeordneter behalten. [1]

Entsetzen und Empörung nach Bekanntwerden der Chatprotokolle

Arppe droht in den Chats politischen Gegnern Gewalt an, Deutschland wünscht er sich laut der Einträge als Apartheids-Staat, gegen Journalisten bringt er Zersetzungsaktionen ins Spiel. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Krüger kritisierte, dass die Spitze der AfD-Fraktion nicht darauf dringe, dass Arppe sein Landtagsmandat niederlege. Er forderte zudem Aufklärung, ob andere AfD-Abgeordnete ebenfalls an den Chats beteiligt waren und wie weit „das rechtsextreme Netzwerk um Holger Arppe“ in die Partei hineinreiche. [2]

Parallel forderten die Fraktionen von LINKE, CDU, SPD, Grünen und Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 in der Rostocker Bürgerschaft ihn auf, sein Bürgerschaftsmandat niederzulegen. „Holger Arppe hat sich mit seinem menschenverachtenden Verhalten ins politische und gesellschaftliche Aus geschossen und sollte nie wieder politische Entscheidungen, egal auf welcher Ebene, treffen dürfen“, erklärten die Fraktionsvorsitzenden gemeinsam. [3]

Die Bürgerschaftsfraktion des Wählerbündnisses Unabhängige für Rostock (UFR), dem auch Oberbürgermeister Roland Methling angehört, wolle erst beraten, werde sich der Erklärung am Montag aber voraussichtlich anschließen, sagte UFR-Fraktionschef Malte Phillip am Freitag. [4]

Haarsträubend bis ekelerregend seien die Äußerungen, meint AfD-Fraktionschef Leif-Erik Holm, das passe nicht in die AfD. Er lasse sich von Hasardeuren nicht die Partei kaputt machen. Holm verwies darauf, dass die AfD-Fraktion keine Möglichkeit habe, Arppes Landtagsmandat für ungültig zu erklären. „Nur er selbst kann auf sein Mandat verzichten“, sagte Holm. „Da er die Partei und Fraktion verlassen hat, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, den für unsere Partei gewonnenen Parlamentssitz abzugeben.“ [5]

Auch die Deutsche Kinderhilfe kritisierte den Verbleib Arppes im Landtag. „Herr Arppe hat sich für jedes politische Amt und erst Recht für einen Sitz als Volksvertreter im Landtag ohne jedes Wenn und Aber disqualifiziert“, sagte Kinderhilfe-Vorstandsvorsitzender Rainer Becker am Freitag. Er sei entsetzt, meinte Becker im Gespräch mit dem NDR Nordmagazin, solche Äußerungen seien etwas für den Staatsanwalt. Es sei nicht vermittelbar, „dass ein Mann, der sich über seine sadistisch anmutenden Fantasien über den Missbrauch von Zehnjährigen austauscht, sein Abgeordnetenmandat behalten will“, so Becker. DGB-Nord-Vize Ingo Schlüter forderte weitere Konsequenzen. Arppe sei nur die braune Spitze des Eisbergs in der AfD. „Wer Rassismus, Hass und Gewaltaufrufe verbreitet, gehört in keine Volksvertretung und auch nicht in die Landeszentrale für politische Bildung“, sagte er. Arppe gehört dem Kuratorium der Landeszentrale an. [6]

Am Abend ging auch Arppes Wahlkreismitarbeiter und Bundestagskandidat Stephan Schmidt auf Distanz. „Das, was ich lesen musste, macht mich fassungslos. Die Äußerungen und Vorstellungen von Holger Arppe passen nicht zu mir und unserer Partei“, schrieb Schmidt in einer Erklärung und teilte mit, dass er seine Tätigkeit für Arppe beende. [7]

Parlamentarisches Kontrollgremium in Berlin wird sich mit Arppe befassen

Unterdessen will man sich auch in Berlin mit dem Ex-AfD-Mitglied Arppe beschäftigen. Der stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), André Hahn, erklärte, er habe sowohl die Terrorrazzia vom vergangenen Montag in Rostock als auch die Berichte rund um den ehemaligen AfD-Abgeordneten Arppe mit höchster Dringlichkeit auf die Tagesordnung des PKGr setzen lassen. „Die Bundesregierung muss dringend die Frage beantworten, ob sich nicht neuerlich rechte Terrornetzwerke gebildet haben, die womöglich vom Untergrund bis hin zu Anwälten, Soldaten und Polizisten reichen“, so Hahn weiter. [8]

Arppe wertete die Veröffentlichungen als „geschickt und mit krimineller Energie inszenierte Kampagne“ und „medialen Vernichtungsfeldzug“. Schockiert sei er darüber, wie verschiedene Medien seine Homosexualität gegen ihn und die AfD instrumentalisierten. [9]

Arppe, der dem rechtsnationalen AfD-Flügel zugerechnet wurde, hatte in der Vergangenheit mit öffentlichen Äußerungen mehrfach Kritik auf sich gezogen. 2015 wurde er vom Amtsgericht Rostock in erster Instanz wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. [10]

Fußnoten:

[1] http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/ex-afd-mitglied-arppe-beklagt-medialen-vernichtungsfeldzug-0129739109.html

[2] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Arppe-Chats-Entsetzen-und-Empoerung,arppe122.html

[3] https://www.welt.de/politik/deutschland/article168219336/Ex-AfD-Mitglied-sieht-sich-inszenierter-Kampagne-ausgesetzt.html

[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/article168219336/Ex-AfD-Mitglied-sieht-sich-inszenierter-Kampagne-ausgesetzt.html

[5] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Arppe-Chats-Entsetzen-und-Empoerung,arppe122.html

[6] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Arppe-Chats-Entsetzen-und-Empoerung,arppe122.html

[7] http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/ex-afd-mitglied-arppe-beklagt-medialen-vernichtungsfeldzug-0129739109.html

[8] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Fall-Arppe-Das-Schweigen-der-Abgeordneten,afd1234.html

[9] https://www.welt.de/politik/deutschland/article168219336/Ex-AfD-Mitglied-sieht-sich-inszenierter-Kampagne-ausgesetzt.html

[10] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/mecklenburg-vorpommern-afd-holger-arppe-chat-gewaltverherrlichung-partei-ruecktritt