Rechtspopulismus ist keine Alternative: Die Flüchtlingspolitik der „Alternative für Deutschland“

Demonstration von “Aufstehen gegen Rassismus”. Ein Aufschrei gegen die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD). (Foto: U. Stephan, r-mediabase). Quelle: antifa.vvn-bda.de

Der Diskurs um Einwanderung in Deutschland ist seit spätestens 2013 wieder wahrnehmbar. Im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 sowie den damit einhergehenden gesellschaftspolitischen Umbrüchen und Bürgerkriege im Nahen Osten und Nordafrika sind – zusätzlich zu den anderen flüchtenden Menschen – jährlich mehrere hunderttausend Menschen auf der Flucht und machen sich auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa.

Deutschland nimmt in Relation zu anderen EU-Staaten deutlich weniger Flüchtlinge auf, dennoch sind die absoluten Zahlen in den vergangenen Jahren gestiegen. Dies wurde u.a. dadurch sichtbar, dass in den vergangenen Jahrzehnten nach der fast gänzlichen Abschaffung des deutschen Asylrechts und den Dublin-Verordnungen einerseits die Anzahl der nach Deutschland flüchtenden Menschen kleiner geworden ist und andererseits die Kapazitäten, Menschen Unterstützung bieten zu können, deutlich abgebaut wurden. Der Staat ist nicht adäquat auf die steigenden Zahlen vorbereitet gewesen, obwohl die prekären finanziellen Mittel für Unterbringungen seit Langem von Flüchtlingsinitiativen kritisiert wurden.

Von „Besorgten BürgerInnen“ und NeofaschistInnen

Vermehrt protestieren AnwohnerInnen und BürgerInnen im Schulterschluss mit Personen aus Spektren von der Neuen Rechten bis zu eindeutigen Neonazis gegen neue Heime. Der Umgang der etablierten Politik reicht von der Unterstützung von Willkommens-Initiativen bis hin zur Aufnahme rassistischer Argumentationen. Vor diesem Hintergrund – von lokalen Kristallisationspunkten über bundespolitische Verantwortungslosigkeit hinsichtlich der Unterbringungen – sind die Diskussionen um Einwanderung und Geflüchtete zu bewerten. Die aktuellen Zahlen flüchtender Menschen und Asylsuchender sind allerdings trotz der letzten Entwicklungen keine Überraschung und in ihrer Entwicklung bereits seit geraumer Zeit absehbar gewesen.

Der Tatsache, dass rassistische Einstellungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind, ist sich auch die (extreme) Rechte bewusst. Seit Jahren wird unter dem Deckmantel der Islam-Kritik versucht, den gesellschaftlichen Resonanzboden für antimuslimischen Rassismus zu bereiten. In anderen europäischen Ländern ist dieser seit über zehn Jahren bereits Kernthema von rechten Parteien und bietet in Kombination mit einem rechtspopulistischen Politikstil gute Aussichten auf Wahlerfolge. Erfolgsbeispiele dafür sind das Referendum gegen den Bau von Minaretten der Schweizerischen Volkspartei und die Wahlergebnisse der niederländischen Partei für die Freiheit um Geert Wilders.

Ein Nebeneinander von „Rechtsextremismus“ und „Rechtspopulismus“ als zwei verschieden von einander abzugrenzende politische Kategorien ist dagegen wenig hilfreich. Die gemeinsamen inhaltlichen und strategischen Bezugspunkte lässt eine solche Trennung außer Acht. Vielmehr kann „die Hinwendung zu den inhaltlichen Maßgaben rechter Ideologie und deren Parameter, Spannbreite und öffentliche Artikulationsformen hilfreich sein“, so Rechtspopulismusforscher Alexander Häusler. Rechtspopulismus könne folglich als rhetorisches Instrument innerhalb des rechten Spektrums gelten. Diese spezifische Politikform beinhalte Identifikationsangebote als „Anwalt des Volkes“ bzw. „des kleines Mannes“, geknüpft an einen Außenseiter- und Opferstatus. Damit einher gehen die gegensätzlichen Identitäten von „Volk versus Elite“, „Fleißige versus Faule“, „Heimische versus Fremde“ und „Ehrliche versus Korrupte“. Auch wenn es Ähnlichkeiten gibt, bestehen Unterschiede zwischen den neofaschistischen Gruppen und rechtspopulistisch modernisierten rechten Parteien. Zentrale Differenz dabei ist das Verhältnis zur Demokratie, welche im (Neo-) Faschismus offen abgelehnt wird und die durch die „völkische Revolution“ abgeschafft werden soll, dem entgegen im Rechtspopulismus eine taktische Befürwortung direkter Demokratie steht.

Die Opferinszenierung der AfD

Die AfD verwendet seit ihrer Gründung rechtspopulistische Inszenierungsformen und wird dafür sowie für die rassistischen Äußerungen und extrem rechten Verbindungen ihrer Mitglieder von verschiedenen Medien immer wieder als rechtspopulistische Partei gelabelt. ParteifunktionärInnen widersprechen dem und versuchen sich hiervon zu distanzieren. Anstelle dessen sei sie die „Partei der kleinen Leute“. Die AfD geriert sich gleichzeitig als Außenseiterin und Opfer der etablierten Politik und Medien. Sie inszeniert den vermeintlichen Tabubruch, indem sie meint die „Wahrheit“ über bestimmte Themen zu vertreten. So würden grundlegende Probleme durch eine „Politikerkaste“ verschwiegen, welches ebenso für die Medien gelte, die sich dieser angenähert hätten, und mittels „political correctness“ sogar durch die „Tabuisierung ganzer Themenfelder Denkverbote“ schaffe. Die etablierte Politik und Medien werden als Feindbild konstruiert, anstatt komplexe wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu erklären. Mit dem Einnehmen dieser AußenseiterInnenrolle als „Anwältin der kleinen Leute“ werden klassische Identifikationsfiguren des Rechtspopulismus genutzt, mit dem Ziel eine Identifizierung von potentiellen WählerInnen und SympathisantInnen mit der Partei zu erreichen. Dies gilt ebenfalls für den Tabubruch entgegen der „political correctness“, frei nach einer „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“- Attitüde. Konkret bedeutet dies, sexistische, rassistische und sozialdarwinistische Stammtischparolen politisch zu rehabilitieren, um damit gesellschaftliche Ressentiments zu kanalisieren und anzusprechen. Die einfachen Erklärungs- bzw. Schuldzuweisungen finden sich nicht nur im Dualismus „Volk versus Elite“, sondern setzen sich ebenso fort in den Unterscheidungen „Fleißige versus Faule“ und „Heimische versus Fremde“.

Angesichts der politischen Einstellungen der AfD-Mitglieder verwundert die Verwendung rechtspopulistischer Agitation kaum. In der neusten sog. Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „weisen die politischen Einstellungen der AfD-Sympathisanten im Vergleich zur Gesamtstichprobe einen erhöhten Chauvinismus und eine stärkere Verharmlosung der NS-Zeit auf: Nach jenen, die die NPD präferieren, zeigen sich in der AfD-Anhängerschaft die zweihöchsten Zustimmungswerte zu Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Auch die Abwertung von Homosexuellen und die generelle Kritik an Politikern ist überdurchschnittlich, ebenso die Befürwortung von Etabliertenvorrechten. Eine Anti-Europa-Haltung ist deutlicher ausgeprägt als bei anderen.“ Vor diesem Hintergrund sind die zahlreichen rassistischen Äußerungen und extrem rechten Verbindungen sicher nicht als Einzelfälle zu deuten, sondern Ausdruck einer sich konstituierenden (noch) heterogenen Rechtsaußenpartei. Das beschriebene Wettern gegen „das Establishment“ aus Politik und Medien und die „Political Correctness“ scheint gemeinsamer Nenner der Mitglieder zu sein und ermöglicht auch die Integration extrem rechter Positionen. Im Hinblick auf Agitationsversuche, die auf einen antimuslimischen Rassismus abzielen, ist das bekannteste Beispiel die sächsische AfD. Diese will dem Vorbild der Schweizer Volkspartei folgend „Volksabstimmungen über Moscheebauten mit Minaretten“ einführen.

Bundesweite Diskursverschiebung nach rechts

Fest zu stellen bleibt, dass die Entwicklung der Diskurse um Einwanderung und „Armutsmigration“ ganz im Sinne des AfD-Parteiprogramms sind. So spricht sich die Partei zwar für „ein offenes und ausländerfreundliches Deutschland“ aus und will die „Hilfe für Kriegsflüchtlinge“ stärken. Sie knüpft dies allerdings an zahlreiche Bedingungen und die Prämisse, dass Deutschland dadurch keinen wirtschaftlichen Schaden nehmen dürfe. Folglich wird unterschieden in Kriegsgeflüchtete und MigrantInnen, die aufgrund von wirtschaftlichen Gründen kommen würden. Entsprechend war ihr EU-Wahlkampfslogan: „Wir sind nicht das Weltsozialamt“. Lediglich MigrantInnen die sich als wirtschaftlich nützlich erweisen, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, soll der Aufenthalt genehmigt werden. Diejenigen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, gehörten zeitnah abgeschoben. Ebenso gelte es die bisherige europäische Grenzpolitik, die seit Jahren politisch höchst umstritten ist, auszuweiten mit dem Ziel, nur die wirtschaftlich gewinnbringenden MigrantInnen in Deutschland aufzunehmen. Damit vertritt die AfD einerseits die „Sozialschmarotzer“- These und andererseits eine Einwanderungs- und Asylpolitik, die nach ökonomischer Verwertung von MigrantInnen selektiert. Die Annahme, ein Großteil der Menschen würde nach Deutschland flüchten, um von Sozialleistungen zu leben, wird den komplexen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen für Flucht nicht gerecht. Gleichzeitig impliziert diese Rhetorik der „ArmutsmigrantInnen“ antiziganistische und rassistische Zuschreibungen.

Das gesellschaftliche Potential für Ideologien der Ungleichwertigkeit ist groß. Durch die aktuellen Thematisierungen in den Diskursen um Einwanderung ist es möglich, dieses Potential politisch zu nutzen. An sich bedarf es dafür nicht einmal einer rechtspopulistischen Partei – dies machen auch andere. Die Unterschiede in der Position und Agitation hinsichtlich Einwanderung scheinen zwischen ChristdemokratInnen und AfD gering. Wesentlicher Unterschied ist dennoch, dass die AfD nicht nur rechtspopulistische Vorurteile taktisch aufgreift, sondern diese Positionen politisch kanalisieren und organisieren will. Dafür nutzt sie rechtspopulistische Strategien, um zum einem ein breites Spektrum anzusprechen und zum anderen sich als Tabubrecherin gegenüber den „Altparteien“ zu inszenieren. Die Affinität zu rassistischen und sozialchauvinistischen Positionen spiegelt sich in ihrer AnhängerInnenschaft wider. Offen antimuslimischen Rassismus zu propagieren, wie andere europäische rechte Parteien es tun, vermeidet sie aufgrund parteiinterner Heterogenität und zu erwartender gesellschaftlichen Ächtung. Stattdessen wird auf einen Verwertungsrassismus gesetzt, der ohne eindeutige rassistische Zuschreibungen der „Anderen“ auskommt und es schwieriger macht, ihn als solchen zu erkennen. Dementsprechend besteht eine hohe Anschlussfähigkeit an gesellschaftlich akzeptierte, auf ökonomische Verwertung abzielende Argumentationen, die im Kern nicht weniger rassistisch sind, nur weil sie aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft geäußert werden. Eine Kritik an der AfD kann also nicht geleistet werden, ohne auf die gesellschaftliche Verankerung von Ideologien der Ungleichwertigkeit zu verweisen. Die politische Organisierung rassistischer Einstellungen und die Rehabilitation von Stammtischparolen als Sagbares können einen gesellschaftlichen Rechtsruck bewirken. In der Konsequenz würden Ausgrenzungen und Übergriffe gegenüber denjenigen zunehmen, die nicht in das Deutschland der AfD passen.

Als Grundlage für diesen Beitrag diente die Broschüre „Broschüre zur Kritik der ‚Alternative für Deutschland‘. Rechtspopulismus ist keine Alternative!“ des Hamburger Bündnisses gegen Rechts.