Rechtsterroristischer Anschlag in Charlottesville (Virginia) auf antifaschistische Kundgebung

Heather Heyer starb in Charlottesville (Virginia) während eines rechtsterroristischen Angriffes, bei dem ein Nazi mit seinem Auto in die Menge demonstrierender Antifaschist*innen fuhr. (Foto: Twitter Profilbild Heather Heyer)

Aus Anlass der Entfernung einer Statue des Südstaaten-Genrals Robert E. Lee in der Charlottesville (Virginia) marschierten mehrere hundert Neonazis durch die Stadt. Dabei griffen sie auch Antifaschist*innen an, die gegen den Aufzug protestierten. Schließlich rasste einer der Nazis mit seinem Auto in die Menge der Gegendemonstrant*innen und tötete die Antifaschist*in Heather Heyer. Die kleinlaute Reaktion des US-Präsidenten Trump schockierte selbst Politiker*innen seiner eigenen Partei.

Von Franziska Wilke, Julian Feller und Marko Neumann

Bei einem Aufmarsch von Neonazis und Rassisten in den USA wurde ein Terroranschlag auf antifaschistische Gegendemonstranten verübt. Ein Autofahrer raste am Samstag in Charlottesville im Bundesstaat Virginia in eine Gruppe von Gegendemonstranten. [1]

Die Polizei nahm den Mann später fest und beschuldigte ihn eines Tötungsdelikts sowie der böswilligen Körperverletzung in drei Fällen. „Böswillig“ bedeutet, dass es sich um eine Tat mit Absicht und in vollem Bewusstsein handelt – und nicht im Affekt. Das FBI leitete Ermittlungen wegen eines möglichen Hassverbrechens ein. [2]

„Wir liefen auf der Straße, als ein Auto, eine schwarze oder graue Limousine, mit hohem Tempo auf uns zuraste und gegen all die Leute prallte“, sagte ein Augenzeuge AFP. „Dann fuhr er zurück und hat uns erneut angefahren.“ In Videoaufnahmen war zu sehen, wie ein Auto mit hohem Tempo auf andere Fahrzeuge auffuhr und diese mit voller Wucht in die Gruppe der Gegendemonstranten schob. Ein anderer Mann berichtete: „Ein Mädchen am Boden wurde in Stücke gerissen, das war Absicht.“ [3]

#sayhername: Tote und Verletzte bei Anschlag

Die Behörden in der Universitätsstadt Charlottesville sprachen am Samstag von insgesamt drei Toten und mindestens 35 Verletzten. Ein Verdächtiger wurde festgenommen. Charlottesville liegt ungefähr hundert Kilometer von Washington entfernt. [4]

Heather Heyer ist der Name der Frau, die mutmaßlich von einem Neonazi auf einer antifaschistischen Kundgebung in Charlottesville ermordet wurde. Während die Medien zunächst lediglich von einem 32-jährigen Opfer sprachen, wurde auf Twitter eingefordert, sie beim Namen zu nennen. Unter dem Hashtag #SayHerName geht nun tausendfach ihr Foto durch die sozialen Medien. Eine Spendenkampagne unter dem Motto „Our Sister’s Keeper“ (angelehnt an „Brother’s Keeper“) sammelte zudem bereits über 45.000 Dollar für ihre Angehörigen. [5]

Zu dem Aufmarsch hatten mehrere rechtsnationalistische und rassistische Gruppierungen aufgerufen. Manche Teilnehmer gaben sich auf Mützen und T-Shirts als Trump-Anhänger zu erkennen. Einige der Rechtsextremisten erhoben die rechte Hand zum Hitler-Gruß. Viele führten Flaggen der früheren Südstaaten-Konföderation mit sich, die aus Sicht liberaler US-Bürger ein Rassismus-Symbol ist. [6]

Anlass für die Demonstration der Nationalisten ist die Entfernung einer Statue des Konföderationsgenerals Robert E. Lee durch die Stadt Charlottesville. Die Behörden rechneten mit bis zu 6.000 Teilnehmern und Gegendemonstranten. Der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe, rief nach der Eskalation der Gewalt den Notstand aus. [7]

Reaktionen auf Trump Stellungnahne nach Anschlag

Präsident Donald Trump verurteilte zwar „auf schärfste Weise diesen ungeheuerlichen Ausbruch von Hass, Fanatismus und Gewalt auf vielen Seiten“, vermied jedoch klare Schuldzuweisungen an die rechten Demonstranten, was selbst Kritiker in Trumps Republikanischen Partei bemängelten. Es sei „sehr wichtig, dass der Präsident die Ereignisse in Charlottesville als das beschreibt, was sie sind: als Terroranschlag weißer Rassisten“, erklärte der republikanische Senator Marco Rubio. [8]

Der dienstälteste republikanische Senator Orrin Hatch forderte: „Wir müssen das Übel beim Namen nennen. Mein Bruder hat nicht sein Leben im Kampf gegen Hitler gegeben, damit Nazi-Gedankengut hier zu Hause ohne Widerstand akzeptiert wird.“ [9]

Auch Bürger sind erzürnt durch die halbherzigen Äußerungen Trumps – und gehen auf die Straße. „Nenn es beim Namen – Weiße Vorherrschaft“, steht auf einem der Plakate. „Ich kann es nicht glauben, dass ich immer noch gegen Nazis demonstriere“, auf einem anderen. Einige Demonstranten zeigen ihre Wut gegenüber Trump deutlich. „Alt-Right liegt falsch. Genug! Enthebt Trump des Amtes!“, steht auf einem weiteren Schild geschrieben. [10]

Anders als ihr Vater fand Ivanka Trump auf Twitter klare Worte. [11] Über den Kurznachrichtendienst Twitter macht sie ihrem Ärger Luft und teilte in zwei Nachrichten ihre Gedanken zu der Bewegung der Ultrarechten mit. „Für Rassismus, weiße Vorherrschaft und Neonazis sollte es keinen Platz in der Gesellschaft geben“, schreibt die 36 Jahre alte Mutter von drei Kindern. „Als Amerikaner müssen wir alle zusammenstehen – und ein vereintes Land sein.“ [12]

Charlottesvilles Bürgermeister Michael Signer reagierte entsetzt. „Ich gebe die Schuld an vielem, was wir heute in Amerika sehen, dem Weißen Haus und den Leuten um den Präsidenten“, sagte der Politiker der Demokratischen Partei. „Ich hoffe, dass er einen Blick in den Spiegel wirft und scharf darüber nachdenkt, mit wem er im Wahlkampf verkehrte.“ Das durch die Suche nach untergetauchten Naziverbrechern weltweit bekannte Wiesenthal-Zentrum bewertete die Gewalt ebenfalls als Terror und rief Trump, dazu auf, „die weißen Nationalisten, die Hass, Misstrauen und Gewalt säen, eindeutig zu verurteilen“. [13]

Der US-Präsident „Dr. Seltsam“

Nach sechs Monaten Trump-Regierung ist die Gefahr eines Bürgerkriegs im Inneren und eines atomaren Konflikts im Äußeren so real wie nie. Dazu droht der Präsident dem souveränen Venezuela mit einer militärischen Intervention. Die linksliberale Öffentlichkeit in den USA aber wirkt paralysiert und Trumps Parteifreunde kuschen. Bislang ist niemand in Sicht, der die verhängnisvolle Entwicklung stoppen könnte. [14]

Fußnoten:

[1] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060389.usa-tote-bei-terroranschlag-auf-anti-nazi-kundgebung.html

[2] http://taz.de/US-Neonazi-toetet-Gegendemonstrant/!5439443/

[3] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060389.usa-tote-bei-terroranschlag-auf-anti-nazi-kundgebung.html

[4] http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlottesville-fbi-uebernimmt-die-ermittlungen-der-ueberblick-a-1162654.html

[5] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060392.sag-ihren-namen-heather-heyer-ermordet-von-neonazis.html

[6] http://www.dw.com/de/us-pr%C3%A4sident-donald-trump-nach-rechter-gewalt-in-charlottesville-unter-beschuss/a-40071495

[7] http://taz.de/US-Neonazi-toetet-Gegendemonstrant/!5439443/

[8] http://www.dw.com/de/us-pr%C3%A4sident-donald-trump-nach-rechter-gewalt-in-charlottesville-unter-beschuss/a-40071495

[9] http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlottesville-fbi-uebernimmt-die-ermittlungen-der-ueberblick-a-1162654.html

[10] https://www.welt.de/politik/ausland/article167631202/Wir-erfuellen-seine-Versprechen-Rechte-berufen-sich-auf-den-Praesidenten.html

[11] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060392.sag-ihren-namen-heather-heyer-ermordet-von-neonazis.html

[12] https://www.welt.de/politik/ausland/article167639314/Fuer-Neonazis-sollte-es-keinen-Platz-in-der-Gesellschaft-geben.html

[13] https://www.jungewelt.de/artikel/316252.rechter-terror-in-virginia.html

[14] http://www.berliner-zeitung.de/28160684