Showdown in Köln: Bundesparteitag der AfD soll Richtungsentscheidung herbeiführen

Demonstration von “Aufstehen gegen Rassismus”. Ein Aufschrei gegen die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD). (Foto: U. Stephan, r-mediabase). Quelle: antifa.vvn-bda.de

 

Die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) will auf ihrem Bundesparteitag in der Nordrhein-Westfälischen Stadt die Weichen für die kommenden Bundestagswahlen im September stellen. Dabei spitzt sich der Konflikt zwischen dem neoliberalen Lager um Frauke Petry und den Nationalkonservativen um Alexander Gauland, Bernd Höcke und André Poggenburg weiter zu.

Von Franziska Wilke, Philipp Gutrun-Hahn und Marko Neumann

Nach dem Verzicht Petrys auf eine Spitzenkandidatur im Bundestagswahlkampf forderten nach einem Vorabbericht des „Spiegel“ vom Freitag mehrere Mitglieder des nationalistisch-völkischen Flügels, sie könne nicht Vorsitzende einer AfD-Bundestagsfraktion werden. „Es ist selbstverständlich, dass sich die Fraktionsspitze einer Partei aus dem Spitzenteam im Wahlkampf zusammensetzt“, sagte der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen dem Blatt. Petry hatte erklärt, sich weder als Spitzenkandidatin noch als Mitglied eines Spitzenteams beim Parteitag an diesem Wochenende in Köln zur Wahl zu stellen. Gleichzeitig forderte sie eine Richtungsentscheidung, mit der die AfD dem Kurs ihrer parteiinternen Widersacher eine Absage erteilen soll. [1]

Ihr Kontrahent, AfD-Vize Alexander Gauland, wird es schwer haben, ein neues Spitzenteam zusammenzustellen. Petry ist immer noch das Gesicht der Partei schlechthin. Das, was er nach Petrys Verzichtsankündigung sagte, könnten nun auch viele der Delegierten denken: Er wünsche sich, dass Petry „weiterhin im Wahlkampf auftritt und präsent ist“. Versöhnliche Worte, denn ähnlich prominente Persönlichkeiten für eine Spitzenkandidatur zu finden, ist nahezu unmöglich. Mögliche Kandidaten sind Gauland selbst, Alice Weidel oder auch eher unbekannte Gesichter wie der Fraktionsvorsitzende aus Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm. Die „Junge Freiheit“ berichtet unter Berufung auf Parteikreise, Thüringens Fraktionsvorsitzender Björn Höcke habe daran mitgewirkt, eben dieses Trio für die Wahl aufzustellen. [2]

Mit Petrys Teilrückzug dürfte Gaulands Macht wachsen. Der 76-Jährige kandidiert für den Bundestag, ist seit Kurzem nicht mehr AfD-Landeschef in Brandenburg, führt dort aber noch die Fraktion. Gauland gefällt sich in der Rolle der konservativen Eminenz bei den Rechtspopulisten. 40 Jahre lang war er in der CDU, er weiß, dass ein Spitzenpolitiker mit öffentlichen Äußerungen haushalten muss, wenn er im internen Kampf überleben will. Mitunter hat Gauland gute Miene zur schlechten Stimmung gemacht – etwa als er im vergangenen Juli nach heftigen internen Querelen tapfer mit Petry auf dem Landesparteitag im brandenburgischen Kremmen posierte. [3]

Gauland wirft Petry Spaltung vor

„Wenn ich einen Graben aufreiße, den es nicht gibt, dann ist das spalterisch“, sagte Gauland kurz vor dem Bundesparteitag der Partei in Köln. Gauland nannte Petrys Zukunftsantrag, eine Luftnummer. „Ich habe nie eine Fundamentalopposition gefordert, wie mir das Frauke Petry unterstellt“, sagte der AfD-Vize. [4]

„Natürlich wollen wir irgendwann auch regieren, sonst wäre ich nicht in der Partei“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die AfD dürfe sich jedoch nicht der Gefahr aussetzen, als kleiner Partner ausgespielt oder aufgesogen zu werden. Gauland empfahl der AfD, dem Beispiel der österreichischen FPÖ zu folgen: „Nicht als Anhängsel, aber auf Augenhöhe, dann kann man Verantwortung übernehmen“, unterstrich Gauland. [5]

Ebenfalls bereits am Samstag dürfte es auf dem Kölner Parteitag um die beiden Anträge gehen, mit denen Petry eine Entscheidung über den Kurs der Partei herbeiführen will. Beides sind Anträge „zur Tagesordnung“, müssten also vorab behandelt werden. [6] Der erste zielt auf die Absage an „rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien“. Der zweite fordert eine Entscheidung für eine „realpolitische“, gegen eine „fundamentaloppositionelle“ Strategie. Letztere hat Petry mit dem Namen Gauland verbunden. Petry will eine Debatte hierüber. [7] Sollten die Realos unter den Delegierten des Parteitags erkennbar keine Mehrheit finden, soll nach CORRECTIV-Informationen ein Antrag gestellt werden, alle strittigen Punkte auf einen Parteitag nach der Bundestagswahl zu verschieben. [8]

Bis dahin solle dann ein Burgfrieden gelten. Dieser Vorschlag werde von beiden Lagern unterstützt, heißt es aus der AfD-Spitze. Die Demonstrationen von AfD-Gegnern in Köln würden dazu beitragen, unter den Delegierten eine Wagenburgmentalität zu schaffen, sagt ein AfD-Spitzenfunktionär. Das sollte genügen, den internen Streit zu verschieben. Den Petry/Pretzell-Unterstützern sei bewusst, dass die Zeit gegen sie laufe. Denn die Fundis um Höcke und Gauland gewönnen in der AfD immer mehr Unterstützer. [9]

Für Zündstoff auf dem Parteitag könnte auch ein Antrag sorgen, mit dem das von Petry unterstützte Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gestoppt werden soll. Falls dieser Antrag aufgerufen werde, werde er ihm zustimmen, sagte Gauland. [10] Gegen Höcke läuft wegen mutmaßlicher Nähe zur NS-Ideologie ein Parteiausschlussverfahren. Auch Meuthen riet abermals dazu auf, das Ausschlussverfahren ad acta zu legen. [11]

Demonstrative Einigkeit in Köln?

Anders als bei den meisten vorherigen AfD-Bundesparteitagen dürfen diesmal nicht alle Mitglieder teilnehmen, sondern nur 600 Delegierte. Diese haben die jeweiligen Landesverbände in den vergangenen Wochen gewählt. Delegiertenparteitage sind weniger unberechenbar als Parteitage, bei denen alle Mitglieder zugelassen sind und niemand weiß, wie viele und wer genau kommt. [12]

Bereits in der Debatte um das Wahlprogramm 2016 zeigte sich die AfD unentschieden, ob sie für Besserverdiener oder einfache Arbeitnehmer einsteht. Zuerst nannte Petry den Mindestlohn „neosozialistisch“, danach ruderte sie zurück. Der Mindestlohn stand zuletzt doch im Wahlprogramm. Provozieren und dann zurückrudern. Eine Technik, die eine stetige Berichterstattung sichert. Die Fähigkeit zu stetiger politischer Arbeit mit Weitblick lässt sich daran jedoch nicht erkennen. [13]

Die AfD-Spitze wird am Wochenende alles daran setzen, Einigkeit zu demonstrieren. Daher ist es wahrscheinlich, dass in Köln ein Spitzenduo oder -team gewählt wird, mit dem alle Fraktionen der rechten Sammlungspartei zufrieden sind. Möglicherweise kommt es zu einem Spitzenduo aus Alexander Gauland und Alice Weidel. Die Ökonomin brachte nach Medienberichten der Landesverband Baden-Württemberg ins Spiel. Diese Variante wäre ideal, um über die inneren Widersprüche hinwegzutäuschen: Gauland ist stramm nationalkonservativ und hat früh den Schulterschluss mit den Völkischen gesucht. Weidel indes ist eine Neoliberale, die sich für den Ausschluss Höckes ausgesprochen hat. [14]

Sollte sie auf dem Parteitag jedoch offen von Gauland unterstützt werden, wäre Weidel ihm wohl einen Gefallen schuldig und müsste sich dann erst einmal mit dem Thüringer Landeschef arrangieren. Interessant ist die Personalfrage aber auch deshalb, weil die Parteifunktionärin aus Baden-Württemberg im vergangenen Jahr schon einmal als Spitzenkandidatin von prominenter Stelle ins Spiel gebracht worden war. Co-Parteichef Jörg Meuthen hatte sie in den höchsten Tönen angepriesen, sich aber zunächst eine Abfuhr eingefangen. Weidel beteuerte damals, sie wolle nicht in Konkurrenz zu Petry treten und verzichtete daher auf eine mögliche Kandidatur. Bekanntlich hat sich die Situation aber nun gedreht. Statt Frauke Petry könnte bald Alice Weidel im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. [15]

Fußnoten:

[1] http://de.reuters.com/article/deutschland-afd-idDEKBN17N1MF

[2] http://www.n-tv.de/politik/AfD-bezieht-Festung-in-Koeln-article19803798.html

[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-frauke-petrys-verzicht-staerkt-alexander-gauland-a-1144050.html

[4] http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_80946156/zoff-in-der-afd-fuer-gauland-ist-petry-eine-spalterin-.html

[5] http://www.heute.de/koeln-erwartet-wegen-afd-parteitag-demonstranten-und-linksautonomen-den-ausnahmezustand-47018048.html

[6] https://www.welt.de/politik/deutschland/article163873821/Frauke-Petrys-Verzicht-laehmt-ihre-Widersacher.html

[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article163873821/Frauke-Petrys-Verzicht-laehmt-ihre-Widersacher.html

[8] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/afd-spaltung-nach-der-bundestagswahl-2017-aid-1.6767230

[9] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/afd-spaltung-nach-der-bundestagswahl-2017-aid-1.6767230

[10] http://www.faz.net/aktuell/politik/vor-koelner-afd-parteitag-der-druck-auf-frauke-petry-waechst-14981652.html

[11] http://www.faz.net/aktuell/politik/vor-koelner-afd-parteitag-der-druck-auf-frauke-petry-waechst-14981652.html

[12] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/afd-parteitag-frauke-petry-koeln-alexander-gauland

[13] https://www.freitag.de/autoren/arthur-molt/eil-petry-nun-doch-spitzenkandidatin

[14] https://www.jungewelt.de/artikel/309301.hauen-und-stechen.html

[15] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1048719.die-demontage-der-afd-chefin-petry.html