Die Befreiung Stralsunds 1945

Wie in vielen anderen Städten des „Großdeutschen Reiches“ mussten auch die Bewohner*innen Stralsunds am 30. Januar 1945 – dem Jahrestag der Machtübergabe an die Faschisten 1933 – zu einer Großkundgebung erscheinen. Wie schon so oft wurde noch einmal der „Endsieg“ propagiert und zum Kampf „bis zur letzten Patrone“ aufgerufen.

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Zwar war die Rote Armee noch nicht bis an die Stadt herangerückt, aber die aussichtslose Kriegslage musste selbst den fanatischsten Nazis, bis auf vielleicht den verblendeten und zum Hass erzogenen Hitler-Jungen, klar gewesen sein. Nur einen Tag nach dem Appell wurden die Lebensmittelmarken von acht auf neun Wochen „ausgedehnt“. Das hieß nichts anderes, als dass es für die Bevölkerung weniger zu essen gab. Nach „Endsieg“ sah auch diese Maßnahme nicht aus.

Immer mehr Flüchtlinge, die aus dem Osten vor der Roten Armee flohen, kamen in die Stadt. Zu groß war die Angst, die faschistische Propaganda von Millionen Vergewaltigungen und Massenmorden an den Deutschen könne wahr sein und zu groß war die Angst, „die Russen“ würden sich ähnlich gebären, wie die Deutschen in den ehemals besetzten Gebieten Osteuropas.

Die letzten deutschen Soldaten in Greifswald bereiteten sich dennoch auf den herannahenden Rote Armee vor. Während öffentliche Gebäude wie die Post geschlossen wurden, wurden andere Häuser, wie etwa das Stadttheater, umfunktioniert. Panzerfallen, Schützengräben und andere Sperren sowie Feldstellungen an den äußeren Stadträndern sollten dafür sorgen, dass die Stadt auf direkten Befehl Hitlers ein viertel Jahr gehalten werden könne.
Mehrere Truppen, wie die Einheiten der berüchtigten Schutz Staffel (SS), wurden im April abgezogen und in andere Regionen geschickt. Noch während der Stadtkommandant, General Hauschulz, sein Gefechtsstand im Stadttheater bezog, wurde der Räumungsbefehl für die Zivilbevölkerung gegeben. Doch wohin? Das Nazi-Reich war mittlerweile kleiner geworden, als die noch zu gründende DDR. So irrten Zehntausende Flüchtlinge durch das heutige Vorpommern und strömten unter anderem nach Barth oder Rügen.

Gleichzeitig besetzten die deutschen Verbände ihre Stellungen. Neben regulären Wehrmachtssoldaten sollten auch Hitler-Jungen eingesetzt werden, teilweise ausgerüstet mit sowjetischen Beutewaffen. Ein Kampf, der schon von Beginn an sinn- und aussichtslos war. Bei einem ersten kleineren Gefecht bei Andershof, südlich von Stralsund, wurden insgesamt zwölf Hitler-Jungen getötet. Unterdessen kam es zu kleineren Gefechten in der Frankenvorstadt und am Bahnhof. Nun war klar: die sowjetischen Truppen stehen unmittelbar vor Stralsund. Tatsächlich waren große Truppenverbände bereits an der Stadt vorbeigezogen und weiter in Richtung Westen unterwegs. Bei den kurzen Kämpfen wurden drei sowjetische Panzer zerstört. In der darauf folgenden Nacht wurden sämtliche deutschen Truppen nach Rügen abgezogen. Pioniere, noch verbliebene SS-Einheiten und mehrere Stäbe setzten sich unter ständigem Beschuss der sowjetischen Artillerie weiter nach Westen ab. Gegen 5Uhr morgen wurde die erste weiße Fahne auf dem Speicher Poggendorf gehisst, worauf der Beschuss der Artillerie aufhört.

Dennoch war die Stadt nicht befreit. Am Stralsunder Hafen verschanzten sich immer noch deutsche Truppen mit leichten Geschützen. Sie wurden jedoch bald von sowjetischen Truppen eingeschlossen und mussten notgedrungen aufgeben. Am Nachmittag besetzte die 90. Schützendivision der Roten Armee unter Führung des Oberst Fomenko das gesamte Stadtgebiet Stralsunds. Der Krieg war damit für die Hansestadt zu Ende.

Der vom sowjetischen Kommandanten ernannte Bürgermeister Otto Kartüm war für die sofortige Beräumung der militärischen Sperranlagen beauftragt worden. Noch während diesen Aufräumarbeiten zogen einzelne sowjetische Truppenteile weiter nach Westen.