Rassistische Hetze im Internet: Eine steigende Gefahr

In der Diskussion um neue Flüchtlingsheime bilden sich besorgniserregende Allianzen, die fast schon einem Muster zu folgen scheinen: Pläne für eine neue Einrichtung werden bekannt, eine vermeintliche Bürgerinitiative gründet sich und hetzt gegen die Heime, in denen verfolgte, oft traumatisierte Menschen einen Platz bekommen sollen. Besonders die sozialen Netzwerke sind dabei zum Ort rassistischer Stimmungsmache geworden.

Der Opferfonds CURA zählt 19 Flüchtlinge unter den Todesopfern rechter und rassistischer Gewalt seit 1990. Die rassistisch motivierte Gewalt gegen Flüchtlinge weist eine Kontinuität in Deutschland auf. Besonders das Jahr 2013 zeigt die Brisanz der Hetze gegen Menschen, die hierzulande Schutz vor Krieg und Diskriminierung suchen: Die Amadeu Antonio Stiftung zählte hundert Demonstrationen und Kundgebungen gegen geplante Unterkünfte, ein Großteil davon wurden von der NPD oder Aktivist*innen der Freien Kameradschaften organisiert.

Die Gewalt und Gefahr zeigt sich nicht nur auf der Straße und in Zahlen, sondern ist auch im Internet zu beobachten: Die Präsenz der Proteste in den sozialen Netzwerken dient der Mobilisierung und Verbreitung. Egal ob in der Facebook-Gruppe „Schneeberg wehrt sich“, bei der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ oder bei der „Greizer Bürgerinitiative gegen ein Asylheim ‚am Zaschberg“: Bürger*innen, die gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte sind, finden im Internet einen Ort, um rassistische Vorurteile zu artikulieren.

Facebook wird zu einem Kern der Organisationsstruktur, wenn es um Hetze gegen Flüchtlinge geht. Hier finden sich Seiten mit unverhohlener Hetze gegen Geflüchtete, aber auch Seiten, die versuchen, ein bürgerliches Image zu verbreiten.

Die verwendeten Methoden der Verantwortlichen erinnerten an die Artikel und Texte auf den einschlägigen Seiten bekannter Neonazi-Gruppen. Flüchtlinge der Unterkunft in Marzahn-Hellersdorf wurden in den eigenen vier Wänden fotografiert und danach im Internet bloßgestellt und somit jegliche Privatsphäre der Bewohner*innen zerstört. Sehr selektive Zeitungsartikel von „kriminellen Ausländern“ sollten bestehende Vorurteile festigen. Die Verwendung einer antiziganistischen NS-Karikatur sowie eine Bildmontage der Unterkunft in Hellersdorf, die an die Ku-Klux-Klan-Bewegung erinnert, trugen Anfang Dezember 2013 zu der Löschung der Seite bei.

Das Asylthema ist vor allem für die NPD ein Glücksfall. Gerade in den letzten Jahren fehlten ihr die mobilisierenden Themen. Im Hinblick auf die kommenden Wahlen ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft die NPD das Thema Asyl verstärkt für ihre Zwecke zur rassistischen Mobilisierung nutzen wird. Und die Chancen stehen nicht ganz schlecht, dass sie damit erfolgreich sein könnte. Im unmittelbar angrenzenden Wahllokal an die Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf hat die NPD bei den letzten Bundestagswahlen beispielsweise mehr als zehn Prozent der Stimmen erreichen können.

Neonazis nutzen soziale Netzwerke als Propagandamedium. Das Internet nimmt für viele Menschen eine immer wichtigere Rolle ein. Vor allem Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Online-Zeit in den sozialen Netzwerken. Die Zeit im Internet gehört zum festen Bestandteil des Alltags von Jugendlichen in Deutschland. Auch Neonazis wissen um die Bedeutung des Internets für die Verbreitung ihrer Ideologie und nutzen die sozialen Netzwerke als Propagandamedium. Mit eigenen Strategien versuchen Neofaschist*innen, im Internet unterschwellig ihre Weltanschauung an die User*innen zu bringen. Mit Kampagnen, die auf breite gesellschaftliche Resonanz stoßen, wollen Neonazis mit möglichst vielen Menschen in Kontakt treten.

Natürlich spiegeln die Inhalte in sozialen Netzwerken nur Vorurteile und Einstellungen wieder, die auch in der Offline-Welt existieren. Trotzdem können Facebook und Co. zur Aktivierung von rassistischen Bürger*innenprotesten beitragen. Durch Gruppen, Seiten oder Veranstaltungen können in kürzester Zeit und ohne viel Aufwand eine hohe Zahl an Menschen zu Protestaktionen angeregt werden. Die Kontaktaufnahme zu organisierten Neonazis auf Seiten wie „Schneeberg wehrt sich“ gestaltet sich niedrigschwelliger als ein Besuch beim wöchentlichen NPD-Stammtisch. Durch die bewusst bürgerliche Inszenierung von privaten Neonazi-Profilen kann eventuell bestehendes Misstrauen gegenüber Ideologie und Person abgebaut werden.

Auch im Internet: Keinen Fußbreit den Faschist*innen!

Wie in der „Offline-Welt“ ist es auch im Internet und in den sozialen Netzwerken enorm wichtig, Stellung gegen Neonazis und ihre rassistische Mobilmachung zu beziehen. Wer sich auf den entsprechenden Seiten der sozialen Netzwerke in die Diskussion begeben möchte, um Flüchtlinge auf diese Art und Weise zu unterstützen, sollte vor allem ruhig und sachlich bleiben. Es hilft nichts, auf die strategischen Eskalierungsversuche der Rechtsextremen einzugehen. Denn genau das ist das Ziel der Initiatoren. Besser ist es, die Diskussion auf eine neutrale Ebene zu bringen – oder zumindest auf ein Niveau, das ohne Hass auskommt. Wenn auch das nicht hilft, sollte man allerdings auch den Mut haben, Diskussionen abzubrechen – wenn möglich mit erklärenden Worten. Auch wenn es auf Dauer anstrengend sein mag, immer wieder die gleichen Diskussionen zu führen – tun Sie es. Denn Nicht-Handeln bestärkt die Aggressoren und verunsichert andere Nutzerinnen und Nutzer. Außerdem demonstrieren Sie so Solidarität mit den Betroffenen. Auf persönliche Beleidigungen oder Drohungen, Volksverhetzung oder offenen Rassismus müssen Sie darüber hinaus als Administrator eines Forums, einer Gruppe oder Seite (und das ist im engeren Sinne sogar ihre Profilseite in sozialen Netzwerken) ganz klar mit dem „Löschen“- oder „Melden“-Button reagieren.

Vorsicht ist allerdings bei Stigmatisierungen geboten: Nicht sofort „Nazi“ schreien. Nicht jede*r, der sich auf den Seiten der Bürgerinitiativen oder anderen entsprechenden Seiten rassistisch äußert, ist gleich rechts. Jemanden in der Öffentlichkeit zum „Nazi“ zu machen, kann leicht zu Solidarisierungseffekten führen. Versuchen Sie es zunächst lieber diplomatisch: „Diese Aussage/Argumentation wird auch gerne von Rechtsextremisten benutzt. Pass auf, dass du da nicht falsch zugeordnet wirst.“

Weitere Informationen gibt es in den Publikationen
• „Refugees welcome – Gemeinsam Willkommenskultur gestalten“,
• „Die Brandstifter – Rechte Hetze gegen Flüchtlinge“,
• Dossier „Rassismus“ und
• Dossier „Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge“