Das engmaschige System von Konzentrations- und Vernichtungslager im Dritten Reich

Keine andere Einrichtung des Dritten Reiches steht so symbolisch für den Terror und die Unmenschlichkeit der Nazis und ihrer Ideologie wie das flächendeckende Netz von Konzentrations- und Vernichtungslager. Welche Funktionen hatten die Lager, wo standen die sie und was mussten die Häftlinge in den KZ’s erleiden? Dieser Abriss gibt einen Überblick über diese und andere Fragen.

Grundlage des Textes ist der Beitrag „Welche Rolle spielten die Kirchen im Dritten Reich“ von Wolfgang Benz aus dem Buch „Die 101 wichtigsten Fragen – Das Dritte Reich“.

Was sind Konzentrationslager und wie viele gab es?

Beginnend mit dem Konzentrationslager Dachau, das im März 1933 errichtet wurde und bis Ende April 1945 bestand, wurden in den ersten Monaten der „nationalsozialistischen“ Herrschaft etwa 100 weitere „frühere Konzentrationslager“ errichtet, die meist nur kurze Zeit existierten. Nach dem Muster Dachaus entwickelte sich ein System von Lagern, das unter der Regie der „Schutzstaffel“ (SS) zentral gesteuert als Organisation des Terrors außerhalb der Justiz und rechtlicher Normen den Herrschafts- und Verfolgungsanspruch der NS Diktatur gegen politische Gegner, Regimekritiker, Unangepasste – sogenannte „Asoziale“, Homosexuelle und Angehörige bestimmter Glaubensgemeinschafte -) sowie Unerwünschte – beispielsweise Juden, Sinti und Roma – durchsetzte. In Sachsenhausen vor den Toren Berlins (1936) und Buchenwald bei Weimar (1937) wurden neben Dachau zentrale Konzentrationslager eingerichtet, denen Flossenbürg in der Oberpfalz (1938) und das Frauen-KZ Ravensbrück nördlich von Berlin (1939) folgten. Neuengamme bei Hamburg und Mauthausen in Oberösterreich waren ebenfalls noch vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden. Mit Auschwitz und Stutthof bei Danzig expandierte das KZ-System dann auf polnischen Boden. Die Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge bekam immer größere Bedeutung, neue Konzentrationslager entstanden in den besetzten Gebieten, aber auch im Deutschen Reich.

Vernichtungslager: organisierte Stätten des Todes

Im Unterschied zu den Konzentrationslagern, in denen die Inhaftierten gequält und gedemütigt und zu Sklavenarbeit gezwungen wurden, in denen auch ihr Leben nicht viel galt, hatten die Vernichtungslager nur einen Zweck: Menschen unmittelbar nach ihrer Ankunft zu töten. Dies geschah in den Todeslagern, die ab Ende 1941 im besetzten Polen errichtet wurden: Chełmno (Kulmhof) im „Wartheland“ war das erste Lager, das ausschließlich der Tötung von Menschen diente. Grund war die Überfüllung des Ghettos Łódz. In Chełmno wurde das „Sonderkommando Herbert Lange“ mit „Gaswagen“ stationiert. Lange hatte seit Sommer 1940 Erfahrungen mit der Ermordung Geisteskranker und anderer Behinderter im Rahmen der „Aktion T 4“ (Euthanasie-Aktion). In Chełmno pendelten die Gaswagen zwischen dem „Schloss“ und dem 5 km entfernten „Waldlager“, wo die auf dem Weg getöteten Opfer verscharrt bzw. später verbrannt wurden. Ermordet wurden dort mindestens 152 000 Juden, die aus Łódz stammten bzw. aus dem Wartheland oder dem Altreich zunächst dorthin deportiert worden waren. Typologisch sind die Todeslager den Mordstätten ganz ähnlich, die von den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD und von anderen Einheiten der SS ad hoc bestimmt wurden, um Juden zu töten. Babij Jar am Stadtrand von Kiew, wo am 29. und 30. September 1941 33771 Juden erschossen wurden , war ein solcher Ort, Ponary vor den Toren Wilnas ein anderer, an dem von Juli 1941 bis Juli 1944 70000 bis 100000 Juden getötet wurden. Wieder ein anderer Exekutionsort war der Wald von Rumbuli, in dem die Insassen des Ghettos Riga den Tod fanden. Zahllose solcher Mordfelder gibt es auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion.

Die Erschießungsgruben und improvisierten Orte des Massenmords wurden schließlich abgelöst von Einrichtungen, an denen das Gleiche geschah – in Aktion gesetzte mörderische Rassenideologie-, zu denen aber das improvisierte und spontane Element nicht gehörte. In Weißrussland entwickelte sich das Lager Maly Trostinez, im Frühjahr 1942 vom Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Minsk errichtet, vom Zwangsarbeitslager zur zentralen Vernichtungsstätte, in der bis Sommer 1944 mindestens 60000 Juden, unter ihnen. Deutsche, Tschechen und Österreicher, sowie sowjetische Kriegsgefangene und Widerstandskämpfer ermordet wurden. Vernichtung von Menschenleben wurde in den Todeslagern in ein System gebracht und organisiert, die Methoden waren andere als Pogrom und Massaker, es herrschten die Gesetze von Logistik und Effizienz. Geeignete Plätze wurden als Todeslager angelegt, zu ihrer Rationalität gehörte die abgeschiedene Lage, das diente der Geheimhaltung, gute Erreichbarkeit war ebenso notwendig. Deshalb wurden diese Lager im Osten Polens errichtet. In den drei Lagern der „Aktion Reinhardt“ wurden insgesamt etwa 1,75 Millionen Juden ermordet: in Bełzec 600000, in Treblinka 900000, in Sobibor 250000.

Eine letzte Perfektion des Massenmords erfolgte mit der Erweiterung des KZ Auschwitz, als mit dem Lagerbereich Birkenau das Konzentrationslager zum Vernichtungslager wurde. Auch die Methode, das Gift Zyklon B zu verwenden, bedeutete noch einmal eine Steigerung der Effizienz des Mordens (obwohl auch Erschießungskommandos bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Tätigkeit bleiben). Ein zweites Konzentrationslager, Lublin-Majdanek, erfüllte wie Auschwitz ab Herbst 1942 die Doppelfunktion eines Konzentrationslagers und eines Todeslagers. Die durchrationalisierten Handlungsabläufe vom Antransport der Opfer, ihrer Ausplünderung und Ermordung über die Beseitigung der Leichen bis zur Verwertung ihrer Habe kennzeichnen die letzte Phase des Holocaust, die in den Todeslagern stattfand.

Die insgesamt 24 Hauptlager waren schließlich Mittelpunkt eines Netzes von ungefähr 1000 Lagern, das in hierarchischer Abstufung von Haupt- und Außenlagern und Arbeitskommandos gebildet wurde. Außerdem gab es Systeme weiterer Zwangslager, in denen die gleichen Bedingungen wie im KZ herrschten, nämlich etwa 200 „Arbeitserziehungslager“, eine unübersehbare Zahl von „Polizeihaftlagern“, von Zwangsarbeitslagern für Juden in den besetzten Gebieten, dann Hunderte Ghettos in Polen und Osteuropa, in denen Zustände wie im KZ herrschten. Die Orte des Terrors überzogen als engmaschiges Geflecht, dessen Dimension noch weitgehend unerforscht ist, das gesamte deutsche Herrschaftsgebiet.