2.000 Leben für den Profit: Das Außenlager Barth

Die Stadt Barth selbst ist relativ unscheinbar. Auch im NS-Reich hatte sie anfangs keine Bedeutung, erst mit dem Bau eines Fliegerhorstes südlich der Stadt, der am 10. Juli 1936 in Dienst gestellt wurde, wurde die Stadt auch für Industrieunternehmen interessant.

Die KZ-Gedenkstätte in Barth in Mecklenburg-Vorpommern.
Die KZ-Gedenkstätte in Barth in Mecklenburg-Vorpommern.

Im November 1943 wurde das Konzentrationslager in Barth als Außenlager des Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebaut und sollte die dringend benötigten billigen Arbeitskräfte für die Heinkel-Werke, die unter anderem den deutschen Bomber He110 bauten, liefern. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren für die Häftlinge, wie in allen Konzentrationslagern, erniedrigend und lebensfeindlich. Die ersten 200 Gefangenen aus Buchenwald wurden ähnlich wie später ankommende Häftlinge in Baracken aus 15 Quadratmetern je zu 20 Personen gepfercht. Als Zudecke bekamen sie jeweils eine dünne Wolldecke, eine harte Strohmatratze sowie ein kleines Kopfkissen. Verlor ein Häftling etwas davon, wurde es ihm nicht ersetzt. Insgesamt wurden im Laufe des Krieges über 7.000 Häftlinge aus 20 Nationen in Barth festgehalten.

Die Verpflegung der Insassen war mehr als unzureichend. In der Regel bekamen die Häftlinge nicht mehr als einen Liter dünner Kartoffel-,Kohl- oder Steckrübensuppe. Ab und an gab es dazu Ersatzkaffee sowie etwa 100 Gramm Ersatzbrot und wenige andere Dinge. Hunger war auf Grund der schweren körperlichen Arbeit und der schlechten Ernährung deshalb der ständige Begleiter der Zwangsarbeiter_Innen. Viele erlagen den Strapazen des Arbeitsalltages, erkrankten an Tuberkulose oder wurden einfach von den SS-Wachen erschossen. Die Versorgung der Lagerinsassen war für den Barther KZ-Kommandanten nicht von Interesse, da kranke Häftlinge einfach nach Ravensbrück zurückgeschickt und durch neue ersetzt wurden. Nachdem sowjetische Truppen auf Barth vorrückten, wurde das Lager am 30. April 1945 geräumt. Insgesamt fünf Todesmarschkolonnen wurden in Richtung Rostock losgeschickt – drei Kolonnen mit Männern und zwei mit Frauen. Nachdem auch die letzten SS-Wachen geflohen waren, waren noch etwa 800 Frauen im Lager zurückgeblieben. Diese machten sich auf in die benachbarte Stadt, wo sie von bewaffneten Hitler-Jungen, die wohl als einzige noch ernsthaft an den „Endsieg“ glaubten, aufgegriffen. Eine Erschießung der Frauen konnte nur durch das Eingreifen der Ribnitzer Bevölkerung verhindert werden. Auch die zweite Frauenkolonne kam während des Marsches frei.

Angeschlossen an den Fliegerhorst war auch das Kriegsgefangenenlager Stalag Luft I, in dem mehrere tausende alliierte Flieger interniert waren. Nach der Flucht der SS-Mannschaften betraten einige von ihnen als erste das ehemalige Konzentrationslager. In manchen Räumen fanden sie Menschen, die schon seit Tagen tot waren. Neben den Leichen standen Folterinstrumente, mit denen Knochen gebrochen werden sollten. Für etwa zwei Wochen verwalteten die Flieger das Lager selbst, versuchten die Verpflegung zu organisieren und den Verletzten zu helfen.

Als die sowjetischen Truppen eintrafen, halfen die Piloten weiter bei der Versorgung. Noch Wochen nach der Befreiung des Lagers starben Menschen an den Folgen der Behandlung durch die SS. Und trotzdem waren die sowjetischen Soldaten längst nicht mehr so erschrocken, wie Piloten der westlichen Alliierten. Sie hatten bereits die KZs in Polen und den Gebieten der Sowjetunion gesehen, wo Millionen Menschen ermordet wurden. Der Fassungslosigkeit war inzwischen Trauer und auch Wut gewichen.

Die meisten Barther wollen bis zum Kriegsende nichts von den Zwangsarbeiter_Innen und ihrem Leid auf dem Fliegerhorst Barth gewusst haben. Mehr als ein Versuch des Selbstbetruges dürften die meisten dieser Äußerungen nicht sein. Der Horst und das KZ waren nicht weit von der Stadt Barth entfernt. Der wirtschaftliche Aufschwung, der durch die Ansiedlung verschiedener Rüstungsunternehmen zu Stande kam, hatte die übergroße Mehrheit der Menschen blind für das Elend anderer gemacht. An der Barther Gedenkstätte steht deshalb noch heute mahnend in mehreren Sprachen auf schweren Steinplatten geschrieben: In Barth wurden über 2.000 Menschen für die Profitinteressen des Heinkelkonzerns zu Tode gequält.