Kirchenkampf, Reichsbischof und die „Deutsche Kirche“ – Die christlichen Kirchen im beginnenden Dritten Reich

Obwohl die christlichen Werte wie „Nächstenliebe“ und Gebote alá „du sollst nicht töten“ auf den ersten Blick diametral zur Weltanschauung der Nazis stehen, gab es vielfältige Kollaboration – aber auch Widerstand.

Dieser Beitrag bietet einen abrissartigen Überblick der verschiedenen Facetten des Verhältnisses von Kirchen und der Nazi-Bewegung in den Anfängen des Dritten Reiches. Grundlage des Textes ist der Beitrag „Welche Rolle spielten die Kirchen im Dritten Reich“ von Wolfgang Benz aus dem Buch „Die 101 wichtigsten Fragen – Das Dritte Reich.

Widerspruch aus theologisch oder religiös begründeter Ablehnung des sich 1933 erst im Aufbau befindlichen autotoritär-diktatorischen Nazis-Staates war zunächst auf Randgruppen und Einzelpersonen in beiden Kirchen beschränkt. Auf katholischer Seite waren die „Rhein-Main-Volkszeitung“ als Mittelpunkt eines Kreises sozial Engagierter und Männer der katholischen Arbeiterbewegung wie Jakob Kaiser sowie fromme Christen, die auf ihren Pfarrer hörten und mit der „neuheidnischen“ NS-Politik weiter nichts zu tun haben wollten. Auf der evangelischen Seite waren es Theologen wie Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth, die Bedenken gegen ein diktatorisches Regime hatten, weil sie den darin zum Ausdruck kommenden unbedingten Verfügungsanspruch über die Menschen ablehnten.

Vertreter der evangelischen Kirchen kamen ab Frühjahr 1933 in Konflikt mit dem Staat, der zum „Kirchenkampf“ eskalierte. Sie widersetzten sich den Gleichschaltungsversuchen, die sich gegen die traditionelle Selbstverwaltungsstrukturen kirchlicher Organisationen richteten. Die Nationalsozialisten wollten eine Kirchenreform durchsetzen, die aus den 28 selbstständigen evangelischen Landeskirchen eine einheitliche und gleichförmige „Reichskirche“ gemacht hätte, die nur dem „Reichsbischof“ nach dem Führerprinzip organisiert sein sollte. Viele evangelische Christen hatten sich dem Nationalsozialismus angeschlossen; sie kämpften, vielfach erfolgreich, unter der Bezeichnung „Deutsche Christen“ bei den Wahlen für kirchliche Gremien, sogenannte Synoden, um ihre Mehrheit. Seit Herbst 1932 traten unter der Führung nationalsozialistischer Pfarrer die „Deutschen Christen“ auch als Organisation an die Öffentlichkeit. Ihnen standen evangelische Christen, Pfarrer wie Laien, gegenüber, die zunächst nur der Maxime folgten, dass die Kirche sich nicht in staatliche Angelegenheiten einmischen dürfte. Aus dieser Haltung heraus entwickelte sich, im Kampf um Tradition und Organisation der Landeskirchen, erst religiös und dann zunehmend auch politisch motivierte Opposition gegen den NS-Staat.

Überredet durch Hitlers kirchenfreundliche Zusicherungen, in Panik wegen des Radikalismus der NSDAP und beschwichtigt durch die Aussicht auf das Konkordat (das Abkommen zwischen der Reichsregierung und dem Vatikan vom Juli 1933, das die Rechte der Kirche in Deutschland festlegte und garantierte) stimmten die Parteien des politischen Katholizismus – Zentrum und Bayerische Volkspartei – im März 1933 dem „Ermächtigungsgesetz“ zu.

Für viele Christen entstand eine paradoxe Situation. Die Mehrzahl der Funktionsträger hatte eben noch in Versammlungen und Kundgebungen deutlich gemacht, dass Katholiken mit ihrer Überzeugung und ihrem Stimmzettel Hitler entgegentreten müssten, nun nahmen die katholischen Bischöfe in ihrer Kundgebung am 28. März 1933 ihre Warnungen vor Hitler und ihre Verurteilung der Ideologie der NSDAP offiziell zurück.

In der Abwehr der „Deutschen Christen“, die bei den Kirchenwahlen im Juli 1933 mit massiver Unterstützung der NSDAP mehr als 70 Prozent der abgegebenen Stimmen errungen hatten, organisierte sich allmählich die kirchliche Opposition in Form der bekennenden Kirche. Keimzelle war der „Pfarrernotbund“, den Pastor Martin Niemöller im September 1933 gründete, dem sich ein Drittel der evangelischen Pfarrer anschloss, weil sie den „Arierparagraphen“ – den die „Deutschen Christen“ auch in der Kirche propagierten – ablehnten. Auf der Synode der Bekennenden Kirche in Wuppertal – Barmen wurden im Mai 1934 grundsätzliche Einwände formuliert. Diese „Barmer Theologische Erklärung“ enthielt die Kernaussage, auch der totale Staat finde seine Grenze an den Geboten Gottes, und es sei Aufgabe der Kirche, „an die Verantwortung der Regierenden und Regierten“ zu erinnern.

Bei solchem Protest gegen die weltliche Obrigkeit ging es in erster Linie noch gegen die Kirchenpolitik des Nationalsozialismus. Die oppositionellen Kirchenvertreter, die immerhin Hitlers Absicht, die evangelische Kirche in das NS-System einzugliedern, durch ihre Haltung vereiteln konnten, blieben noch lange im Zwiespalt zwischen der vom Christen geforderten Loyalität gegenüber dem Staate einerseits und den staatlichen Verstößen gegen christliche Gebote andererseits.

Widerstand im politischen Sinne, in der Absicht, das nationalsozialistische Regime zu stürzen, hat auch die Bekennende Kirche als Ganzes nicht geleistet. Sie kämpfte erst für die Unversehrtheit ihrer organisatorischen Strukturen und dann für die Unabhängigkeit der kirchlichen Lehre, nach der die christlichen Gebote nicht der NS-Ideologie nachgeordnet werden durften. Das Regime aber fühlte sich durch diese kirchlich-theologische Widersetzlichkeit vielfach auch politisch-ideologisch getroffen. Durch alle Landeskirchen ging von nun an ein Riss, die Fronten waren durch die Anhänger der Bekennenden Kirche, die immer mehr in grundsätzliche Opposition zum Staat gerieten, einerseits und die „Deutschen Christen“, die überzeugte Nationalsozialisten waren, andererseits bestimmt. Bei vielen Christen der Bekennenden Kirche wurde aus der oppositionellen Haltung schließlich politischer Widerstand. Sie kämpften, ihrem Gewissen verpflichtet und oft ganz auf sich gestellt, manchmal auch von Gemeindemitgliedern unterstützt, mit ihren Mitteln – Predigt und Schrift – erst gegen Übergriffe des Staates ins kirchliche Leben, dann gegen die praktizierte nationalsozialistische Ideologie, die sich zum Beispiel gegen Behinderte richtete. Sie wendeten sich zudem gegen einen christlichen Glauben, der sich mit Antisemitismus und „neuheidnischen Irrlehren“ vermischte. Dazu gehörte die Forderung nach einem „heldischen Jesus“ ebenso wie das Verlangen nach „artgemäßem Glauben“, gegründet auf „Rasse, Volkstum und Nation.“

Auch das Vertrauen der katholischen Kirche in die Zusicherung Hitlers vom Frühjahr 1933 wich bald der Ernüchterung. Nationalsozialistische Demonstrationen und Straßenterror beim „Gesellentag“ des katholischen Kolpingvereins im Juni 1933 in München wurden offiziell noch als Missverständnis gewertet und mit bischöflichen Ermahnungen zu äußerster Zurückhaltung beantwortet. Provokationen bei Fronleichnamsprozessionen, die zunehmende Behinderung katholischer Vereinsarbeit, Propaganda gegen Bekenntnisschulen, gegen Kruzifixe in Schulen oder die Unterbindung katholischer Publizistik zeigten, was von Hitlers Anbiederungsversuchen an die katholische Kirche zu halten war.

Das Konkordat, das zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan am 20. Juli 1933 abgeschlossen wurde, schien die Haltung der Katholischen Kirche zu honorieren. Der Staat garantierte feierlich die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, seine öffentliche Ausübung, den Bestand und die Aktivitäten der katholischen Organisationen und Vereine, sofern sie sich auf religiöse, kulturelle und karitative Zwecke beschränkten. Bekenntnisschulen und Religionsunterricht waren gewährleistet. Im Gegenzug hatten neu eingesetzte Bischöfe einen Treueid auf die Reichsregierung zu leisten, und Priestern und Ordensleuten untersagte der Heilige Stuhl jede parteipolitische Betätigung. Als internationales Abkommen trug das Konkordat zur Stabilisierung und Reputation des neuen Regimes bei, machte den politischen Katholizismus mundtot und verhinderte vorläufig oppositionelle Regungen.

Im Gegensatz zur katholischen Kirche waren die Protestanten gespalten: Die „Deutschen Christen“, geführt vom „Reichsbischof“ Ludwig Müller, der, im September 1933 gewählt, im Dienst der weltlichen Obrigkeit aus den 28 evangelischen Landeskirchen eine einheitliche deutsche Nationalkirche im nationalsozialistischen Geist bilden wollte, waren die Exponenten des regimetreuen Flügels. Im Selbstverständnis der „Deutschen Christen“ im Dezember 1933 hieß es: „Wie jedem Volk, so hat auch unserem Volk der ewige Gott ein arteigenes Gesetz eingeschaffen. Es gewann Gestalt in dem Führer Adolf Hitler und in dem von ihm geformten nationalsozialistischen Staat.“ Die „Bekennende Kirche“ wurde in der Frontstellung zu den „Deutschen Christen“ das Sammelbecken der oppositionellen evangelischen Gläubigen. Die zweite Dahlemer Bekenntnissynode hatte schon im Oktober 1934 ein „kirchliches Notrecht“ gegen den totalen Staat postuliert. Die Kluft innerhalb der evangelischen Kirche wurde immer unüberbrückbarer. Die Errichtung eines Reichsministeriums für kirchliche Angelegenheiten unter Hanns Kerrl im Juli 1935 dämpfte den Kirchenkampf keineswegs. Er erreichte 1937 seinen Höhepunkt mit Verhaftungen von rund 800 Pastoren der Bekennenden Kirche.

Auf evangelischer Seite richteten sich einzelne Kanzelverkündigungen 1935 gegen die „rassisch-völkische Weltanschauung“. In einer Denkschrift des „radikalen Flügels“ der Bekennenden Kirche an Hitler wurde der staatlich verordnete Antisemitismus verurteilt, ebenso wie die Existenz der Konzentrationslager, die Willkür der Gestapo und andere Erscheinungen des NS-Staates. Aber die Denkschrift war geheim, und eine öffentliche Kanzelabkündigung ermahnte die Gläubigen zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit. Weder gegen die Entrechtung der deutschen Juden durch die Nürnberger Gesetze im September 1935 noch gegen den Novemberpogrom 1938 haben die Kirchen als öffentliche Institutionen geschlossen und nachdrücklich protestiert.

Offener Widerstand aus christlicher Gesinnung wurde nur von einzelnen Personen, Pfarrern und engagierten Laien geleistet, die sich zu Wort meldeten, um Unrecht beim Namen zu nennen, wie der katholische Priester Max Josef Metzger, der mehrfach verhaftet und im April 1944 hingerichtet wurde, oder der evangelische Pastor Julius von Jan, der die Novemberpogrome 1938 öffentlich verurteilte, der Berliner katholische Domprobst Bernhard Lichtenberg oder der Protestant Heinrich Grüber, die sich offen für Juden einsetzten und dafür verfolgt wurden. Sie bildeten jedoch eine Minderheit und die Konsequenzen, die sie mit ihrem Protest bewusst auf sich nahmen, hatten sie allein zu tragen. Sie kamen ins Gefängnis, wurde in Konzentrationslager verschleppt oder ermordet.