Alter Wein in neuen Schläuchen: Die „Identitäre Bewegung“

Aus Frankreich kommend versuchen die „Identitären“ mit einem bewusst modernen Auftreten junge Menschen anzusprechen. Waren sie zunächst stark auf das Internet beschränkt, agieren sie nun auch in der realen Welt. Eine politische und historische Einordnung.

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Die neofaschistische Rechte in Deutschland hat es seit der Herausbildung des Rechts-Rocks nur bedingt geschafft jugendkulturell anschlussfähig zu werden. Auch nach einer stilistischen Modernisierung durch die „Autonomen Nationalisten“ ist wenig passiert. Seit einiger Zeit versuchen die Neofaschist*innen mit dem Label der „Identitären Bewegung“ neuen Schwung zu bekommen. [1]

„Génération identitaire“: französische Ursprünge der „Identitären“ in Deutschland

Die „Identitäre Bewegung“ (IB) bzw. „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) geht zurück auf den 2003 in Frankreich im Umkreis des rechten „Front National“ gegründeten „Bloc Identitaire“. Der steht für den sogenannten „Ethnopluralismus“. Dieser erkennt zwar die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kulturen an, propagiert aber Abgrenzung, „Reinhaltung“, Vermeidung von Vermischung – also letztlich eine homogene Gesellschaft, mit der sich die in der globalisierten Welt Vereinzelten „identifizieren“ können soll. Apropos: Der Begriff „Identität“ ist für die Bewegung von zentraler Bedeutung: Er klingt positiv und ist nicht belastet wie eine NS-kontaminierte Vokabel à la „Rasse“. Stattdessen benutzt die „IB“ gern vermeintlich identitätsstiftende Begriffe wie „Heimat“, „Familie“ oder „Tradition“. Gespielt wird aber trotzdem mit braunen Anklängen: „Jedem Volk sein Raum“, lautet eine Parole der Neuen Rechten. [2]

Hip und modern: das Auftreten der „Identitären“

In Auftreten und Ästhetik bedienen sich die Identitären ungeniert in der Popkultur und bei linken Aktivisten: Da werden wie in Frankfurt in Flashmob-Manier öffentliche Veranstaltungen gestürmt, Aktivisten tanzen zu Technomusik aus dem mitgebrachten Ghettoblaster und halten Schilder mit Parolen in die Luft. Natürlich vermummt, gern mit Guy-Fawkes-Maske, wie man sie von der Occupy-Bewegung kennt. „Multikulti wegbassen“ nennen sie das. Für Propagandamaterial werden reihenweise Filmmotive verfremdet. Die Kulturkampf-Story „300″ ist dabei ähnlich beliebt wie „Avatar“: edles Alien-Naturvolk gegen Invasoren von der Erde. Für einfachere Gemüter gibt es hübsche Frauen oder lustige Tierbilder, versehen mit schneidigen Parolen. Fremdenhass verpackt als Spaßguerilla. [3]

Symbolisch bedient sich die „Bewegung“ – ironischerweise – unter anderem bei einem Film aus Hollywood: „300″. Das Symbol Lambda prangt auf den Fahnen, Aufklebern und online über den Blogs der Aktivisten. Im schwarz-gelben Kontrast wird versucht eine aktionistische Grundstimmung zu vermitteln. [4]

Alter Wein in neuen Schläuchen: Rassistische Hetze modern verpackt

Die „Identitäre Bewegung“ bringt jedoch keine neuen Inhalte hervor, präsentiert sich aber mit aufgeladenen und modernen Symboliken. Schon die Eigenbezeichnung als „Bewegung“ ist in der extremen Rechten nichts Neues und zeigt eine nach außen gerichtete Überhöhung der vor allem digitalen Existenz dieser vermeintlichen Massen. Seit 2011 schwappte der aus Frankreich stammende Ansatz langsam auch nach Deutschland über. Wie schon in den 1960er und 1970er Jahren nimmt die extreme Rechte in Deutschland den „neurechten“ Ansatz mit Verzögerung auf. In Frankreich sind die Wurzeln der „Identitären Bewegung“ bereits mehr als zehn Jahre alt. Auch hier ist dies nichts Neues sondern schier das Aufblühen der Ideologien von vor 40 Jahren. Lediglich die Kontexte aktualisieren etwas die Feindbilder: War es vor Jahrzehnten noch die „Wodka-Kola-Kultur“, also amerikanische und sowjetische Einflüsse auf Europa, ist es heute die Globalisierung und der Islam. Was bleibt, ist das Ziel, die „ethnokulturelle Identität“ zu bewahren. In dieser kulturalistisch-organischen Konzeption „nationaler Identität“ wird kollektive Identität über eine statisch-homogen verstandene Kultur konstruiert. Identität findet der einzelne Mensch somit nur im Kollektiv.  Dabei gehen die Theoretiker der „Neuen Rechten“ davon aus, dass Kultur genetisch verankert ist. Und auch die damit einhergehenden Abgrenzungen bleiben gleich. Man habe weder mit Rassisten noch mit Neonazis etwas gemein und sei natürlich demokratisch ausgerichtet. Offen bleibt, was genau unter „demokratisch“ zu verstehen ist. Denn wie schon die Urväter der „Neuen Rechten“, spricht auch die „Identitäre Bewegung“ in Deutschland vom Ziel der „Umwertung der Werte“. Dazu gehört auch die Neu-Definition von Begriffen wie Kultur oder Demokratie. [5]

Mit den Identitären habe die politische Rechte auf „Jugendbewegungsmodus“ geschaltet, sagt Extremismusforscher Häusler. Für junge Menschen seien sie attraktiver als der „Wikingjugend- und HJ-Style“ klassischer Neonazis. Doch auch wenn die IBD sich von diesen öffentlich distanziere, die Ideen seien die gleichen: „Es geht nach wie vor um das Drohen des Volkstodes, des Untergangs.“ [6]

Mit ihrer Strategie grenzen sich die „Identitären“ auch vom klobigen Auftreten altbackener Rechtsextremer ab. Glatzen oder Springerstiefel sind nicht ihre Sache. Trotzdem verbergen sich hinter moderner Verpackung reaktionäre Inhalte wie etwa die prinzipielle Ablehnung von Multikulturalität. Die „IB“ ist auch gegen Neoliberalismus, Globalisierung oder „EU-Diktatur“ – hier gibt es zum Teil auch Überschneidungen mit linken Positionen. Mit all diesen Themen springt die Bewegung auf Haltungen auf, die inzwischen in nicht wenigen Kreisen Konjunktur haben – auch in bürgerlichen. Ein konstruiertes Bedrohungsszenario durch Überfremdung bis hin zur Warnung vor einem Niedergang Deutschlands hörte man zum Beispiel auch schon vom SPD-Politiker Thilo Sarrazin. [7]

„Reconquista“: Hetze gegen Muslime als integraler Bestandteil neurechter Ideologie

„Die Identitären sind eindeutig rassistisch, islamfeindlich und völkisch eingestellt.“ sagt der Rechtsextremismusexperte Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf. „Wer woanders herkommt, gehört nicht zu unserem Volk“, laute die einfache Formel der Bewegung. Die IBD hetzt gegen Multikulti und propagiert den „Ethnopluralismus“: Die Kulturen sollen friedlich nebeneinander leben – mit Betonung auf neben. Bitteschön jeder auf seinem Gebiet und bloß nicht vermischen. Schließlich strebten doch Indianer die Einheit mit der Natur an, während es Japanern stets um die Ehre gehe und Europäer nur ihrem Freiheitsdrang nachgingen, so die pseudo-ethnologische Begründung: „Wer wollte all diese Völker und Kulturkreise in einen Topf werfen?“

Eine Gruppe soll dabei unter gar keinen Umständen dazugehören: die Muslime. Der Islam sei inkompatibel „mit unserer Kultur und unserem Staat“, schreibt die IBD. Seine Anhänger lebten in einer von „Hass, Primitivismus und Kriminalität geprägten Ghetto-Subkultur“. „Reconquista“, Rückeroberung, ist ein sehr beliebtes Wort unter Identitären. Es bezeichnet die Vertreibung der islamischen Eroberer von der iberischen Halbinsel im Mittelalter. Als seien Muslime gefährliche Invasoren, die bekämpft werden müssen. [8]

Die „Identitären“ versuchen alte Ideologien mit neuer Symbolik und einem modernen Auftreten vor allem für junge Menschen anschlussfähig zu machen. Das Internet ist dabei nach wie vor das wichtigste Medium. Es erlaubt mit einfachen Mitteln die eigene Präsenz und damit die eigene Bedeutung aufzublasen. Über neue Kommunikationswege kann so von wenigen Personen viel Material positioniert werden, welches in einem modernen Antlitz daher kommt.

Eine wirkliche Breitenwirkung konnten die „Identitären jedoch nie erzielen. Gefeiert werden die Modernisierungsversuche zumeist in der eigenen Szene. Hier liegt häufig der Fehler einer unkritischen Berichterstattung, die eine hohe Internetpräsenz mit der tatsächlichen Bedeutung gleichsetzt. Und obwohl ein eigener organisatorischer Unterbau fehlt, sind die die Modernisierungsversuche dennoch spannend, zeigen diese doch, wie die extreme Rechte versucht wieder verstärkt nach außen zu dringen und als Zielgruppe vor allem Jugendliche ausgemacht hat. [9]

Fußnoten:
[1] http://publikative.org/tag/identitare-bewegung/
[2] http://www.br.de/nachrichten/rechtsextremismus-identitaere-bewegung-102.html
[3] http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/identitaere-rechtsextreme-islamfeinde-machen-auf-jugendbewegung-a-880400.html
[4] http://publikative.org/tag/identitare-bewegung/
[5] http://publikative.org/tag/identitare-bewegung/
[6] http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/identitaere-rechtsextreme-islamfeinde-machen-auf-jugendbewegung-a-880400.html
[7] http://www.br.de/nachrichten/rechtsextremismus-identitaere-bewegung-102.html
[8] http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/identitaere-rechtsextreme-islamfeinde-machen-auf-jugendbewegung-a-880400.html
[9] http://publikative.org/tag/identitare-bewegung/