75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz

Es ist zum Symbol der menschenverachtenden Politik der Nazis geworden: das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Am 27. Januar wurde es von der Roten Armee befreit.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

Heute vor 75 Jahren erreichten Einheiten der Roten Armee das rund 60 Kilometer westlich von Krakow gelegene deutsche Vernichtungslager Auschwitz. Die Sowjetsoldaten trafen im „Stammlager“, in den Baracken von Birkenau und auf dem Industriegelände Monowitz nur noch etwa 7.000 Häftlinge an. [1]

„Menschliche Skelette kamen uns entgegen“, erinnerte sich später der Offizier Anatoly Shapiro an den Anblick der überlebenden Häftlinge. „Sie trugen Streifenanzüge, keine Schuhe. Es war eisig kalt. Sie konnten nicht sprechen, nicht einmal die Köpfe wenden.“ [2]

Es soll nicht der einzige Horror sein, der den Rotarmisten an diesem Tag begegnet. Weitere Einheiten stoßen vor und marschieren in die Stadt Auschwitz ein. Schließlich betreten sie das – etwas außerhalb gelegene – sogenannte Stammlager, „Auschwitz I“. Wenig später erreichen Soldaten einen weiteren Komplex im Westen: Auschwitz-Birkenau. [3]

Hunderte Häftlinge waren so entkräftet, dass sie in den folgenden Tagen starben. Die genaue Zahl der Todesopfer lässt sich nicht rekonstruieren. Experten gehen davon aus, dass die SS mindestens 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz ermordete. [4]

Auschwitz ist zum Synonym für den Zivilisationsbruch der Schoah geworden, des nationalsozialistischen Massenmords an sechs Millionen Menschen. Mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder wurden in Auschwitz getötet, vor allem Juden, aber auch Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene und andere Verfolgte des NS-Regimes. Die Verbrechen, die dort begangen wurden, überschreiten „die Grenzen alles Fassbaren“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Dezember bei einem Besuch in Auschwitz. [5]

Seit über einem Jahrzehnt wird – auf Beschluss der Vereinten Nationen – der 27. Januar weltweit als Internationaler Gedenktag für die Opfer des Holocaust begangen. Auch die FIR und ihre Mitgliedsverbände nehmen dieses Datum vielfach zum Anlass, der Opfer der Vernichtungspolitik zu gedenken und gleichzeitig an die Befreier zu erinnern. [6]

Wir sagen uns seit Jahrzehnten, dass sich Geschichte nicht wiederholt – und suchen doch nach historischen Symptomen: Den Blick fest auf den Nationalsozialismus geheftet, fürchten wir uns vor allem vor organisierter Gewalt, vor Massenaufmärschen, vor Parteien und Anführern. Wir tun uns hingegen schwer, die Gefahr zu sehen, wenn sich Rechtsradikale wie der Attentäter von Christchurch und der Attentäter von Halle gegenseitig über das Internet infizieren, wenn wir es mit vermeintlichen Einzeltätern zu tun haben. Wir trösten uns damit, die AfD von Regierungen auszuschließen. Das Gedenken ist unersetzlich, denn es hilft uns, die Essenz des Bösen zu erkennen. Nicht aber seine Form. Wir dürfen nicht allein fragen: Wie war es? Sondern: Wie könnte es sein? Es braucht Wachsamkeit. Wir können von den Opfern nicht länger erwarten, dass sie uns vor uns selbst retten. Wir müssen es selbst tun. [7]

Fußnoten:

[1] https://www.jungewelt.de/artikel/371639.schoah-gedenken-27-januar-1945-befreiung-von-auschwitz-durch-die-rote-armee.html

[2] https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/geschichte/id_87160966/auschwitz-befreiung-von-1945-menschliche-skelette-kamen-uns-entgegen-.html

[3] https://www.t-online.de/nachrichten/wissen/geschichte/id_87160966/auschwitz-befreiung-von-1945-menschliche-skelette-kamen-uns-entgegen-.html

[4] https://www.deutschlandfunk.de/vor-75-jahren-die-befreiung-ueberlebender-in-auschwitz.871.de.html?dram:article_id=468828

[5] https://www.nnn.de/deutschland-welt/Heute-vor-75-Jahren-Die-Befreiung-von-Auschwitz-id27140517.html

[6] https://mv.vvn-bda.de/27-januar-1945-vor-75-jahren-wird-das-vernichtungslager-auschwitz-befreit/

[7] https://www.tagesspiegel.de/politik/auschwitz-75-jahre-nach-der-befreiung-das-verunsicherte-gedenken/25475870.html