Am Tag der Befreiung: AfD fliegt in Schleswig-Holstein erstmals aus Landesparlament

Die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein ist eine Zäsur der jüngeren Parteiengeschichte der Bundesrepublik. Zum einen hat sie gezeigt: das oft beschworene Ende der „Volksparteien“ existiert nicht – und viel wichtiger: die rechtsextreme „Alternative für Deutschland“ (AfD) flog erstmals aus einem Landesparlament, ausgerechnet am 8. Mai, dem Tag der Befreiung.

Von Franziska Wilke und Janin Krude

Die Christdemokraten erreichen im vorläufigen Endergebnis 43,4 Prozent der Stimmen in Schleswig-Holstein. Für eine absolute Mehrheit hätten sie 35 Sitze im Landtag benötigt, mit diesem Endergebnis kommen sie auf 34 Sitze. Die SPD kommt auf 16 Prozent und erreicht damit einen historischen Tiefstand. Die Grünen kommen laut Endergebnis auf 18,3, die FDP auf 6,4 Prozent. Die AfD liegt bei 4,4 Prozent und verpasst damit den Wiedereinzug in den Landtag. Der SSW – als Partei der dänischen und friesischen Minderheit im Land ohnehin von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen – erreicht 5,7 Prozent. [1]

CDU klarer Wahlsieger

Immerhin wissen die CDU-Anhänger am Sonntagabend schon ziemlich genau, was sie erwartet, als sie in der „Business Lounge“ einer klobigen Arena in der Kieler Innenstadt eintreffen. Sie sind gekommen, um einen Sieg zu feiern. Draußen hatte den ganzen Tag die Sonne gedrückt, selbst Holstein Kiel hatte locker gewonnen, und nun bricht der Jubel bei der CDU-Wahlparty in Wellen los: erst, als die Prognosen die CDU in Schleswig-Holstein mit ihrem Ministerpräsidenten Daniel Günther bei über 40 Prozent sehen, 2017 waren es noch 32 Prozent. Dann, als der Balken bei der SPD deutlich unter der 20-Prozent-Marke stehen bleibt, und schließlich, als die Prognosen ein Scheitern der AfD an der Fünfprozenthürde voraussagen. Als schließlich Günther sich durch die Reihen schiebt und abklatscht, kommt die nächste Jubelwelle. Auf der Bühne zeigt sich Günther berührt. Und er muss erst einmal überlegen, wann die CDU das letzte Mal so gut abgeschnitten hat – es sind weit mehr als 30 Jahre. [2]

In dem Land zwischen Nord- und Ostsee ist die AfD im Landtag seit 2018 stark zerstritten. Der Konflikt war so stark, dass es zuletzt nur einen kommissarischen Landesvorsitzenden gab. Der Grund für die innerparteiliche Krise: Die ehemalige Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, die für die AfD mit in den Landtag zog. Ende 2018 schloss die damalige AfD-Fraktion in Schleswig-Holstein ihre Landesvorsitzende von Sayn-Wittgenstein aus der Fraktion aus, nachdem bekannt geworden war, dass sie 2014 den von der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck–Wetzel mitgegründeten Verein „Gedächtnisstätte e. V.“ beworben hatte. Der rechtsextreme Verein steht seit 2015 auf der Unvereinbarkeitsliste für AfD-Mitgliedschaften. Der Bundesvorstand setzte gegen Widerstände aus dem Landesverband 2019 ein Parteiausschluss durch. 2021 gelang von Sayn-Wittgenstein per Klage vor dem Berliner Landgericht den Rauswurf aufzuheben. [3]

Es kann zwar gut sein, dass die AfD am kommenden Sonntag wieder in den Landtag von NRW einzieht, in Umfragen liegt sie dort derzeit bei um die sieben Prozent. Doch der Höhenflug ist im Westen eindeutig vorbei. Langfristig könnte die Partei zu einer Art „Lega Ost“ werden, mit allerdings weiterhin bedrohlich hohen Erfolgen in den östlichen Bundesländern. Auf Bundesebene aber würde das eine deutliche Schwächung bedeuten. [4]

Mögliche Koalitionen

Laut vorläufigem Endergebnis könnte die CDU gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit erlangen – sie kämen auf 39 Sitze und lägen damit 4 Sitze über der nötigen Mehrheit. Für eine Mehrheit aus SPD, Grünen und SSW beispielsweise würde es aktuell nicht reichen. Die CDU könnte auch mit den Grünen zusammengehen, dann hätten sie eine noch sattere Mehrheit. Auch eine Koalition mit der SPD wäre möglich, genauso wie ein Bündnis mit dem SSW, der vier Sitze im Landtag bekommt. [5]

AfD fliegt ersmals aus dem Landtag

Bereits vor der Wahl hatte die AfD im Landtag ihren Fraktionsstatus eingebüßt. Die zunächst fünfköpfige Fraktion zerfiel, weil der Partei nur drei Abgeordnete blieben. Eine Fraktion muss mindestens vier Politiker:innen haben. Bis zuletzt leitete Nobis die Gruppe der verbliebenen drei AfD-Abgeordneten im Kieler Parlament. [6]

Bemerkenswert ist die Wahlschlappe der AfD auch, da sie aus einem Landesparlament fliegen, in dem ein recht liberaler CDU-Ministerpräsident regiert. In der Vergangenheit forderte er immer wieder eine klare Abgrenzung der Union zur AfD. „Es ist ein absoluter Trugschluss, zu glauben, man könne mit lauten, plakativen Äußerungen Populisten kleinkriegen“, sagte Günther bereits 2018 dem Stern. Den Lautstärkewettbewerb mit der AfD könne „die Union definitiv nicht gewinnen.“ [7]

Fußnoten:

[1] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/landtagswahl_2022/Endergebnis-CDU-gewinnt-Landtagswahl-in-SH-mit-434-Prozent,landtagswahl4246.html

[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-schleswig-holstein/wahl-in-schleswig-holstein-2022-mit-wem-koaliert-die-cdu-18015865.html

[3] https://www.belltower.news/eine-gute-wahl-schleswig-holstein-afd-fliegt-erstmals-aus-einem-landtag-130975/

[4] https://taz.de/AfD-vor-dem-Aus-in-Schleswig-Hostein/!5853265/

[5] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/landtagswahl_2022/Endergebnis-CDU-gewinnt-Landtagswahl-in-SH-mit-434-Prozent,landtagswahl4246.html

[6] https://www.belltower.news/eine-gute-wahl-schleswig-holstein-afd-fliegt-erstmals-aus-einem-landtag-130975/

[7] https://www.belltower.news/eine-gute-wahl-schleswig-holstein-afd-fliegt-erstmals-aus-einem-landtag-130975/