Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg: Anzeige gegen Richter wegen Rechtsbeugung

 

Nach mehreren Verzögerungen und Ausschlussversuchen haben zwei Nebenkläger im Neubrandenburger Auschwitz-Prozess gegen die Richter Stafanzeige unter anderem wegen Rechtsbeugung gestellt. Der Vorwurf: Die Richter verschleppen den Prozess gegen den 96 jährigen ehemaligen SS-Sanitäter bewusst.

Von Franziska Wilke und Julian Feller

Gegen die Neubrandenburger Richter im sogenannten Auschwitz-Prozess läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung. Eine entsprechende Strafanzeige haben die Nebenkläger-Anwälte Thomas Walther und Cornelius Nestler bei der Staatsanwaltschaft Stralsund gestellt, wie sie am Wochenende mitteilten. [1] Walther und Nestler werfen dem Gericht in Neubrandenburg vor, die Nebenkläger Walter P. (87) und William P. (86) aus Boulder/USA zu Unrecht aus dem Verfahren ausschließen zu wollen. [2]

Mehrere Entscheidungen ließen die Besorgnis entstehen, „dass die Richter eine innere Haltung eingenommen haben, die es ausschließt, dass sie das Verfahren mit dem gebotenen und unverzichtbaren Maß an Neutralität führen.“ [3] Die beiden Nebenkläger hatten mit 14 beziehungsweise 15 Jahren ihre Mutter 1944 in der Gaskammer des Vernichtungslagers verloren. Das Neubrandenburger Gericht hatte ihnen zweimal die Berechtigung zur Nebenklage abgesprochen. Beide Male hatten höhere Instanzen diesen Beschluss widerrufen. [4]

Systematisch seien die Nebenkläger seit über eineinhalb Jahren von den Richtern der Neubrandenburger Schwurgerichtskammer an ihrer Beteiligung an dem Verfahren gehindert worden, beklagen ihre Anwälte. Dies erfülle »den Tatbestand des Verbrechens der Rechtsbeugung« seitens des Gerichts. [5]

Die Liste der Seltsamkeiten in diesem Verfahren ist überlang, und so manches erinnert dabei an unselige Zeiten der Nichtrechtsprechung gegen NS-Straftäter in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren. Denn das höchste Ziel der zuständigen Kammer des Landgerichts Neubrandenburg scheint darin zu bestehen, dieses Verfahren eben nicht zu führen, sondern es so rasch wie möglich einzustellen. [6]

In dem Prozess geht es um den 96 Jahre alten Angeklagten Hubert Z., der als SS-Sanitäter im Sommer 1944 mehrere Wochen im KZ Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben soll. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte August bis Mitte September 1944 durch seine Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Leute im KZ handlungsfähig waren und die Massenvernichtung von Deportierten ausführen konnten. [7]

Dem inzwischen 96 Jahre alten Mann aus der Nähe von Neubrandenburg wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vorgeworfen. Er war laut Anklage im Sommer 1944 einen Monat als KZ-Sanitäter in Auschwitz tätig. Die Verteidigung bestreitet eine Schuld ihres betagten Mandanten, der nur für KZ-Personal eingesetzt gewesen sein soll. [8]

Fußnoten:

[1] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28280

[2] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28280

[3] http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/wieder-befangenheitsantraege-gegen-richter-im-auschwitz-prozess-1027550804

[4] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Prozess-um-KZ-Sanitaeter-Anzeige-gegen-Richter,auschwitzprozess224.html

[5] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28280

[6] http://www.taz.de/!5396807/

[7] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28280

[8] http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/wieder-befangenheitsantraege-gegen-richter-im-auschwitz-prozess-1027550804