Der alte Antisemitismus der Corona-Leugner:innen

Die Aufzüge gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie wurden nicht, wie so oft behauptet, von Rechtsextremen unterwandert, sondern von verschiedenen rechtsextremen Spektren maßgeblich initiiert. Da wundert es nicht, dass sich bei den „Spaziergängen“ und „Bürgerprotesten“ antisemitische Parolen und Chiffren häufen.

Von Franziska Wilke und Janin Krude

„Impfen macht frei“. Unverkennbar stellt das Schild den Bogen über dem Eingangstor des ehemaligen KZ-Stammlagers Auschwitz dar. Getragen wurde das Schild von einem Demonstranten am 22. Januar in Graz bei einer Demonstration der Impfgegner:innen und Corona-Leugner:innen. [1]

Es ist ein besonders zynisches Beispiel. Wie lange hat sich die Person hingesetzt, abgepaust, gebastelt, ausgeschnitten und die Buchstaben fein säuberlich nachgezogen? Sitzt man da einen halben Nachmittag am Esstisch der Doppelhaushälfte und malt das Tor von Auschwitz ab? Während am Ultra-HD-Bildschirm die Vorberichterstattung zum Hahnenkamm-Rennen läuft und der Mond-Kräuter-Tee (Mit durchgestrichenem Barcode auf der Verpackung, man möchte ja nicht getrackt werden.) in der Küche zieht? Leise summt man irgendwas von Bergbauern-Buben, die besser sind als die verweichlichten Stadtmänner. Vom gerade heute frisch gelieferten Zeitschriftenabo lacht eine bekannte Schauspielerin, die weder Sexismus noch Corona für real hält. Und schon ist man dabei, das „r“ von „frei“ auszumalen. Ein ganz normaler Nachmittag bei ganz normalen Menschen. [2]

Das ist kein rein deutsches Phänomen, sondern in ganz Europa zu sehen. An Übergriffen, wie beispielsweise im vergangenen Dezember in Großbritannien, wo eine Gruppe von Menschen einen Bus angriffen hat, weil sich darin Juden befanden. Oder an Gesten wie dem Hitlergruß. Erst vor wenigen Tagen zeigte eine Niederländerin diesen auf dem Gelände der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz. [3]

Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee in Berlin, sagt im Gespräch mit tagesschau.de, „mit dem Beginn der Proteste gegen die Infektionsschutzmaßnahmen haben wir nicht nur eine deutliche Zunahme von Shoah-Relativierungen und antisemitischen Verschwörungserzählungen erlebt, sondern ebenso, dass diese sich nicht mehr alleine auf das rechtsextremistische Spektrum beschränken“. Vielmehr reichten diese mittlerweile bis weit in die Mitte der Gesellschaft und würden „immer offener geäußert“. [4]

Antisemitische Verschwörungsideologien sind nicht neu. Vielmehr werden sie immer wieder aus den Schubladen gekramt, wenn Menschen sich benachteiligt fühlen. Wenn einfache vermeintliche Lösungen sehr schnell dankbare Abnehmer finden. Auch hier hilft Bildung. Und Erinnerungsarbeit. [5]

Der Holocaust ist ein einzigartiges Menschheitsverbrechen – der von den Nationalsozialist:innen initiierte, antisemitisch motivierte, industriell organisierte Massenmord an Jüdinnen und Juden in Deutschland und Europa kostete 6 Millionen Jüdinnen und Juden das Leben und geschah unter der aktiven Mithilfe von mindestens 200.000 Menschen in Deutschland und Österreich. Dass sich so viele Menschen an der Ermordung von Jüdinnen und Juden beteiligten, oft sogar, ohne dabei eine Schuld zu empfinden, lag am weit verbreiteten und spätestens seit der Wahl der NSDAP staatlich massiv propagierten Antisemitismus. In der antisemitischen Propaganda der NS-Zeit finden sich viele Motive und Narrative, die bis heute in rechtsextremen und verschwörungsideologischen Kreisen beliebt sind: Verunglimpfungen von Jüdinnen und Juden aufgrund zugeschriebener Eigenschaften oder körperlicher Merkmale, Erzählungen einer jüdischen Weltverschwörung zum Schaden des nicht-jüdischen Restes der Menschheit, Erzählungen vom rassistisch-biologistisch verstandenen „Volkskörper“, in den Jüdinnen:Juden wie ein Virus einbrächen. [6]

Nicht umsonst ist die NS-Zeit wichtiger Unterrichtsstoff in den Schulen. Von klein auf soll den Kindern so vermittelt werden, dass ein solches Unheil nie wieder vorkommen darf. Es ist richtig, dass unsere Generation keine Schuld an den Verbrechen der Nazis hat. Aber sie hat eine Verantwortung, wie auch die Generation unserer Eltern und Großeltern. [7]

Und dafür einstehen, dass ein solches Verbrechen nicht noch einmal geschieht.

Deswegen ist es auch höchste Zeit, dass die Polizei strenger gegen Menschen auf Corona-Demonstrationen vorgeht, die gelbe Davidsterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ tragen. Die Pandemie mit all ihren Einschränkungen und Regeln mit der Shoa – also dem industriellen Mord an sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten – zu vergleichen, ist pervers. [8]

Fußnoten:

[1] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160772.corona-proteste-die-banalisierung-von-auschwitz.html

[2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160772.corona-proteste-die-banalisierung-von-auschwitz.html

[3] https://politik.watson.de/deutschland/meinung/418326484-wenn-coronaleugner-den-holocaust-verharmlosen-muss-der-staat-haerte-zeigen

[4] https://www.tagesschau.de/investigativ/antisemitismus-querdenken-ns-verharmlosung-101.html

[5] https://politik.watson.de/deutschland/meinung/418326484-wenn-coronaleugner-den-holocaust-verharmlosen-muss-der-staat-haerte-zeigen

[6] https://www.belltower.news/shoah-gedenktag-holocaust-relativierungen-der-pandemiemassnahmen-kritikerinnen-widersprechen-127285/

[7] https://politik.watson.de/deutschland/meinung/418326484-wenn-coronaleugner-den-holocaust-verharmlosen-muss-der-staat-haerte-zeigen

[8] https://politik.watson.de/deutschland/meinung/418326484-wenn-coronaleugner-den-holocaust-verharmlosen-muss-der-staat-haerte-zeigen