Nach einigen hundert Metern war Schluss: AfD-Aufmarsch in Rostock floppt

Wenn die AfD die Antwort sein soll, wie dumm war dann die Frage?

Gerade einmal 387 gezählte AfD-Anhänger*innen kamen nach Rostock, um sich die Rede des thüringerischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Bernd Höcke anzuhören. Ihnen gegenüber standen mehr als 5.000 Demonstrant*innen. Lautstarke und kreative Proteste machten den Tag für Höcke und co zu einer Blamage. Unser Bericht zum gestrigen Tag inklusive Presse- und Medienschau.

Von Janin Krude und Marko Neumann

Am Ende waren es nicht einmal 400 AfD-Anhänger*innen, die am Sonnabend nach Rostock gekommen sind. Angekündigt waren 1500 Rassist*innen, die an dem Marsch durch die Innenstadt teilnehmen sollten. Ihnen gegenüber standen mehr als 5.000 Menschen, die sich der rechten Hetze in den Weg stellten. Mehr als 1.000 Polizeibeamt*innen waren im Einsatz. Eine Blockade am Vögenteich mit über 1000 Menschen zwang die AfD-Demo nach einigen hundert Metern zum Umkehren. Während der Rede des groß angekündigten Rechtsaußen Politikers Bernd Höcke, fiel auch noch der Strom aus.

Lautstarker und kreativer Protest gegen rechte Hetze

In den Tagen vor dem AfD-Aufmarsch wurde immer wieder das Gespenst von vermeintlich bevorstehenden Gewaltexzessen in Rostock durch diverse Medien und von politischen Vertreter*innen heraufbeschworen worden. Einmal mehr sollten die Proteste gegen den blau-braunen Aufzug bereits im Voraus diskreditiert werden. Doch die insgeheimen Hoffnungen, es würde zu ähnlichen Krawallen wie in Sachsen kommen, wurden nicht erfüllt. Die vielfältigen Proteste blieben durchweg friedlich, auf Provokationen von AfD-Anhänger*innen und einzelner Polizeibeamt*innen wurde reagiert.

Mehrere Bündnisse und Initiativen hatten zu Protesten und Blockaden gegen den AfD-Aufmarsch mobilisiert. Rostock hilft hatte zur Demonstration „Humanität und Solidarität – für ein weltoffenes Rostock“ aufgerufen, an der schließlich mehr als 3.500 Menschen teilnahmen. Der Demozug bewegte sich vom Doberaner Platz über den Universitätsplatz, wo verschiedene Parteien ein Kinder- und Familienfest organisierten, bis zum Rosengarten am Steintor. Entlang der gesamten Aufmarschroute der AfD hatten verschiedene Organisationen unter dem Dach des gemeinsamen Bündnisses Rostock Nazifrei mehrere Kundgebungen angemeldet, an denen zusätzlich etwa 1.500 Menschen beteiligten.

Die Auftaktkundgebung der AfD fand auf dem Neuen Markt direkt vor dem Rathaus statt. Begrüßt wurden die Anhänger*innen der Partei durch Transparente, die aus den Häusern gehängt wurden mit Sprüchen wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“. Das Rathaus war beflaggt mit Regenbogenfahnen, aus den Fenstern wehten Flaggen des Vereins Bunt statt Braun.

Pleiten, Pech & Pannen: die AfD blamiert sich selbst

Weit weniger Menschen, als von Vielen erwartet, waren dem Aufruf der AfD gefolgt. 1.500 Teilnehmende hatte der Kreisverband Rostock der AfD angemeldet, letztlich kamen 387 gezählte (!) Personen. Nicht einmal der Rechtsaußen-Politiker Bernd Höcke konnte außerhalb des harten Kerns der AfD in Rostock irgendjemanden anlocken.

Bereits die Eröffnungskundgebung der AfD wurde mit lautstarkem Protest überzogen. Als die knapp 400 AfDler*innen sich schließlich in Bewegung setzten, machten sich auch die Gegendemonstrant*innen wieder auf den Weg. Schließlich wurde die rechte Aufmarschroute am Vögenteich durch eine Sitzblockade von über 1.000 Menschen versperrt. Viel weiter als bis zur August-Bebel-Straße kam der rechte Mob deshalb nicht. Nach weniger als 1,5 Kilometer war Schluss für die AfD.

Während der Abschlusskundgebung, die ebenfalls auf dem Neuen Markt stattfand, ging die Pannenreihe für die AfD weiter. Während Höckes Rede fiel plötzlich der Strom aus. Schließlich musste er mit einen mobilen Lautsprecher weitersprechen und war selbst für die eigenen Anhänger*innen nur schwer zu verstehen. Zudem nahm Höcke auch nicht an dem eigentlichen Aufzug teil. Er wurde mit seiner Dienstlimousine direkt zum Rathaus gefahren und anschließend von dort auch wieder mitgenommen. Die AfD generiert sich gerne als bürger*innennahe Partei, doch davon war bei Höckes Auftritt nichts zu spüren. Schließlich rollten die ersten selbsternannten Patrioten ihre Deutschlandfahnen schon wieder ein, bevor die Abschlusskundgebung offiziell beendet wurde.

Der Polizeieinsatz: Massive Präsenz & teilweise chaotische Einsatzführung

Die Polizei fuhr an diesem Tag alles das auf, was mensch sich bei den Ausschreitungen in Chemnitz gewünscht hätte. Sieben Wasserwerfer, Pferde- und Hundestaffeln. 1.250 Beamt*innen waren im Einsatz. Dabei wurden massiv Kräfte aus anderen Bundesländern herangezogen. Einheiten aus Hamburg, Brandenburg, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, die teilweise nicht der Individuellen Kennzeichnungspflicht, kamen zum Einsatz.

Obwohl die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort war, verhielten sich die Einheiten ehr passiv gegenüber den Demonstrant*innen. Zeitweise wirkte das Agieren der Polizei regelrecht chaotisch. Erst werden Straßen versperrt, nur um dann ein paar Minuten später die Wege wieder freizugeben. Mal werden Menschen durch Polizeiketten gelassen, dann wieder nicht. Ein paar Minuten später dann wieder doch. Der Sinn und Unsinn solcher Aktionen erschloss sich Demobeobachter*innen nicht.

Insgesamt kam es nur zu wenigen Straftaten. Ein Ordner der AfD-Veranstaltung wurde vorläufig festgenommen, weil er bereits per Haftbefehl gesucht wurde.

Weitere Aufmärsche angekündigt

Naturgemäß verbucht die AfD diesen Tag für sich als „Vollen Erfolg“. Tatsächlich hat sich erneut gezeigt, dass für die AfD in Rostock nicht viel zu holen ist. Selbst in sogenannten „Brennpunktvierteln“ wie Evershagen oder Lütten-Klein schlug ihnen in der Vergangenheit heftiger Protest entgegen. In der Innenstadt ist der Widerstand gegen die rechte Hetze von AfD und co noch stärker. Gleichzeitig vermag es die rechtsnationale Partei vor Ort nicht, neue Anhänger zu rekrutieren. Trotzdem will die AfD in den kommenden Monaten wieder durch Rostock marschieren. Am 20. Oktober will sie sich wieder am Neuen Markt treffen, am 16. November möchte sie vor dem Ostseestadion im Hansaviertel auflaufen und für den 12. Dezember wurde bereits ein Aufmarsch durch die KTV mit Startpunkt am Ulmenmarkt angekündigt. Auch in den kommenden Monaten wird antifaschistischer Protest und ziviler Ungehorsam notwendig sein. Achtet dazu auf weitere Ankündigungen und bleibt informiert.

Presse- und Medienschau:

• Schweriner Volkszeitung: Erste Gegenveranstaltung in Rostock (21.09.)

• Ostsee-Zeitung: Friedlicher Protest: 4000 Rostocker demonstrieren gegen AfD (22.09.)

• Ostsee-Zeitung: Vor Rostocker AfD-Kundgebung: Kirchen rufen zu Dialog auf (22.09.)

• Nordkurier: Tausende Menschen in Rostock auf der Straße (22.09.)

• Schweriner Volkszeitung [Video]: Gegendemonstrationen verliefen friedlich (22.09.)

• SPIEGEL: AfD-Kundgebung in Rostock: 4000 Menschen protestieren gegen Rechts (22.09.)

• DIE WELT: 4000 Gegendemonstranten bei Höcke-Rede (22.09.)

• t-online: Vor Rostocker AfD-Kundgebung: Kirchen rufen zu Dialog auf (22.09.)

• Frankfurter Allgemeine: AfD-Politiker vergleicht Integration mit „Völkermord“ (22.09.)

• TAG24: Tausende gehen auf die Straße: Starker Protest gegen AfD-Demo in Rostock (22.09.)

Foto- & Videoschau und Live Ticker:

• Ostsee-Zeitung [Live Ticker]: Friedlicher Protest: Der Tag in Rostock zum Nachlesen (22.09.)

• Leipziger Volkszeitung [Live Ticker]: Rostock: 4000 Bürger demonstrieren gegen Rechts (22.09.)

• Norddeutscher Rundfunk [Video]: Rostock: 4.000 Gegendemonstranten bei AfD-Demo (24.09.)

flickr Album ENDSTATION RECHTS (22.09.)

• Norddeutscher Rundfunk [Fotos]: Groß-Demos in der Rostocker Innenstadt (22.09.)

• Ostsee-Zeitung [Fotos]: Eindrücke von den Demos und Protesten in Rostock (22.09.)