Expertise „Homo- und Trans*feindlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern“ erschienen

»Ich hab mich normal gefühlt, ich war ja verliebt, aber für die andern ist man anders«

Die Expertise ist die erste umfangreiche Studie zum Thema Homo- und Trans*feindlichkeit für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Lebensgeschichtliche Interviews bieten einen Einblick in Alltagserfahrungen von Lesben, Schwulen und Trans*. Sie legen eine Vielzahl von Diskriminierungserfahrungen, aber auch Widerständigkeiten und Gegenstrategien der Betroffenen offen. Ein weiterer Schwerpunkt der Expertise liegt auf dem Bereich Schule – hier erfahren gerade lesbische, schwule und trans* Jugendliche häufig Diskriminierung und Ausgrenzung.

Die Expertise kombiniert qualitative und quantitative Forschungsmethoden. Für den Schwerpunkt Biographie wurden biographisch-narrative Interviews mit 20 Personen geführt, die sich als gleichgeschlechtlich oder trans* verstehen. Die Interviews wurden in Portraits zusammenfassend abgebildet bzw. werden sie anschaulich erzählend wiedergegeben. Für die Untersuchung im Bereich Jugend und Schule haben wir mit einer Fragebogenerhebung die Einstellungen von 115 Schüler*innen der Jahrgangsstufen sieben bis zehn an zwei verschiedenen Schulen im Bundesland zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt untersucht. Diese Daten sind für die Altersgruppe explorativ aussagekräftig. Zusätzlich wurden 18 Gruppendiskussionen mit insgesamt 90 Schülernnen durchgeführt und mit der Dokumentarischen Methode der Interpretation vergleichend ausgewertet. Zudem enthält die Expertise Ergebnisse einer Fragebogenerhebung (115 Befragte) zu Diskriminierungserfahrungen von Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Rostock.

Die Ergebnisse der biographischen Interviews und der Schulstudie zeigen, dass neben den individuellen Auswirkungen im Alltag strukturelle Bereiche vermehrt bedacht werden müssen. Die strukturelle Unterversorgung von Selbstorganisationen führt u. a. dazu, dass bestehende Beratungsstellen an die Grenzen der Belastbarkeit kommen und gleichzeitig den bestehenden Bedarf – gerade in der Fläche – nicht abdecken können. Die Expertise kommt damit zu dem Schluss, dass es einer stärkeren Förderung von LST* Selbstorganisationen bedarf, insbesondere deren psychosoziale Beratung. Aufklärungs-, Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit zu LST*Lebensweisen gerade in den Bereichen Polizei, Justiz, Politik und Verwaltung, Medizin, Pflege, aber auch Tourismus sind zur Verbesserung der Gesamtsituation von LST* im Bundesland dringend angeraten. Nicht nur Kitas und Schulen, sondern jegliche Institutionen sollten sich verlässlich gegen diskriminierendes und gewalttätiges Verhalten positionieren sowie ein solidarisches Miteinander fördern. Im pädagogischen Bereich sollte die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte in schulischer und außerschulischer Bildung sowie der Sozialen Arbeit Anti-Diskriminierung und Aufklärung über LST*Lebensformen beinhalten. Das Thema sollte als Querschnitt in Rahmenlehrpläne mehrerer Schulfächer wie Geschichte, Deutsch, Sozialkunde, Medienerziehung, Religion, Biologie, Philosophie etc. aufgenommen werden. Neben der Schule und dem Handeln von Pädagog*innen können Politiker*innen dazu beitragen, durch öffentliche Positionierung ein positives Klima gegenüber Vielfalt im Allgemeinen, LST* im Besonderen zu unterstützen, hierfür gibt es bereits einige Vorbilder im Bundesland. In der Verantwortung der Medien liegen eine vorurteilsbewusste Berichterstattung und die Positionierung für einen von Vielfalt und Gleichwertigkeit geprägten Alltag im Bundesland. Der Schutz von Minderheiten ist nicht zuletzt staatliche Aufgabe: Erfolgreiche Strategien aus anderen Bundesländern, wie z. B. Ansprechpartner*innen innerhalb der Polizei zu stellen, sollten übernommen und gefördert werden.

Eine Publikation des Vereins Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V. in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung.

Weitere Infos, sowie Bestellmöglichkeiten gibt es auf http://www.un-sichtbar-mv.de/expertise/.