Frankfurter Buchmesse: Wo die Rechten wüten

Die diesjährige Buchmesse in Frankfurt wurde überschattet von Veranstaltungen rechtsextremer Verlage und der Unfähigkeit der Organisator*innen der Messe, sich angemessen von diesen zu distanzieren.

Rechtsextreme Referent*innen, Angriffe auf Andersdenkende, festgenommene Linke: rechte Provokationen dominierten dieses Jahr die Frankfurter Buchmesse. Unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ ließen die Organisator*innen rechte Verlage ihre Propaganda verbreiten, während der Gegenprotest durch Polizei und rechte Schläger behindert und unterbunden wurde.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

Es ging hoch her auf der Buchmesse in Frankfurt: Am Freitag schlägt ein Zuhörer während einer Lesung am Stand der Jungen Freiheit einem vorbeikommenden Mann ins Gesicht, nachdem dieser Kritik geäußert hatte. Am Samstag dann richtet der neurechte Antaios Verlag mehrere Veranstaltungen aus. Im Publikum: Mitglieder der Jungen Alternative, Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung, Neonazis. Linke Protestler werden bedrängt und beleidigt, ein Mann schlägt einem Beobachter das Handy aus der Hand, Journalisten werden auf Schritt und Tritt verfolgt. [1]

Am Samstag hatten sich linke Demonstranten mit lautstarken Protesten den Teilnehmern einer Buchpräsentation des rechtsgerichteten Antaios-Verlags – unter ihnen auch Höcke – entgegengestellt. Während die einen „Nazis raus“ skandierten, schrien die anderen „Jeder hasst die Antifa“. [2]

„Hass hat keine Botschaft“, schreit eine, die sich später als Linksautonome bezeichnen wird. „Halt die Fresse“ kommt zurück. Neben der Bühne halten mehrere Protestler bunte Pappschilder in die Luft: „Meinungsfreiheit JA! Menschenverachtung NEIN!“ steht darauf oder „Ihr seid Nazis. Punkt.“ [3] Ein großes Polizeiaufgebot hatte in Halle 4.2 die größte Mühe, beide Seiten voneinander zu trennen. Bis zu 400 Menschen beider Lager waren laut Polizeibericht vom Sonntag an der Konfrontation beteiligt. Mehrere Personen seien vorübergehend festgenommen worden. [4]

Der Frankfurter Stadtverordnete Nico Wehnemann (Die PARTEI) berichtete, von Anhängern der Identitären Bewegung angegriffen worden zu sein. Gegenüber Spiegel Online sprach er von „Prellungen“, die Polizei habe daneben gestanden und erst eingegriffen, als er „lautstark um Hilfe rief“. Es sei, so zitiert ihn die Frankfurter Rundschau, auf der Buchmesse auch „Sieg Heil“ gebrüllt worden. Später wurde eine weitere Lesung von zwei Autoren der rechtsextremen Identitären Bewegung wegen lautstarker Proteste abgebrochen. Die Demonstranten blieben so laut, dass eine Fortsetzung nicht mehr möglich war. Die Situation entspannte sich erst mit Schließung der Messe. [5]

Der Auftritt rechtsgerichteter Verlage hat bereits vor der weltweiten Bücherschau für heftige Debatten gesorgt. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Organisator der Messe hat die Zulassung der Stände mit der Meinungsfreiheit begründet und zur „aktiven Auseinandersetzung“ aufgerufen. Auch nach den Auseinandersetzungen verteidigten die Verantwortlichen diese Entscheidung. „Die Frankfurter Buchmesse lebt von der Vielfalt der Meinungen und ist ein Ort des freien Dialogs.“ [6]

In der AfD mehren sich währenddessen Stimmen, das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke zu beenden. „Die Partei schuldet ihm kein Ausschlussverfahren, sondern Anerkennung und Dank“, sagte der baden-württembergische Landeschef Ralf Özkara dem Spiegel. Höcke habe einen „ganz entscheidenden Anteil“ am AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl. Auch sein Kollege aus Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, sagte: „Es wäre das Beste für alle Beteiligten, diese Zerreißprobe für die AfD dann zu beenden.“ [7]

Eine „deutliche Haltung und klare Strategie“ für den Umgang mit Verlagen und Akteuren der „Neuen Rechten“ für die Buchmesse 2018 fordert Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, zum Abschluss der Buchmesse. Deren neues Selbstbewusstsein habe sich deutlich gezeigt: „Veranstalter, Verlage und Aussteller müssen im nächsten Jahr besser vorbereitet sein, um gemeinsam ein starkes Zeichen gegen menschenverachtende Haltungen auf der Buchmesse zu setzen. Es kann nicht sein, dass einzelne Akteure wie Bildungsstätte Anne Frank oder Amadeu Antonio Stiftung die Stellung für die gesamte Mehrheitsgesellschaft halten müssen“, sagte Mendel. [8]

Die Messeplanung hatte den Antaios-Verlag in der Nähe der antirassistischen Amadeu-Antonio-Stiftung platziert. Die machte deutlich, was sie von der Aufforderung zur Diskussion mit Vertretern des Antaios-Verlags hält: „Eine Diskussion ‚auf Augenhöhe‘ mit den Neuen Rechten würde bedeuten, dass wir unsere demokratischen Überzeugungen zur Debatte stellen.“ Die Stiftung wolle nicht die Menschenrechte oder die offene Gesellschaft und ihre Errungenschaften zur Disposition stellen. [9]

Die Junge Freiheit, Manuscriptum und Antaios: Drei Verlage, die man dezidiert dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen kann, sind in diesem Jahr auf der Buchmesse, ein winziger Bruchteil bei über 7000 Ausstellern. Das sind einige von ihnen schon seit Jahren, aber 2017 ist das Jahr, in dem eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag gewählt worden ist. [10]

Fußnoten:

[1] http://taz.de/Kommentar-Rechte-auf-der-Buchmesse/!5455277/

[2] http://www.tagesspiegel.de/kultur/frankfurter-buchmesse-tumulte-bei-hoecke-auftritt-auf-der-buchmesse/20456380.html

[3] http://www.spiegel.de/kultur/literatur/frankfurter-buchmesse-die-auseinandersetzung-mit-den-rechten-a-1172953.html

[4] http://www.tagesspiegel.de/kultur/frankfurter-buchmesse-tumulte-bei-hoecke-auftritt-auf-der-buchmesse/20456380.html

[5] https://www.abendblatt.de/kultur-live/article212245621/Randale-und-rechte-Parolen-auf-der-Buchmesse.html

[6] http://www.sueddeutsche.de/kultur/frankfurter-buchmesse-tumulte-bei-hoecke-auftritt-auf-der-frankfurter-buchmesse-1.3708891

[7] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-10/frankfurter-buchmesse-bjoern-hoecke-proteste

[8] http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Buchmesse-in-der-Kritik-Allein-gegen-Rechte;art675,2796809

[9] https://www.abendblatt.de/kultur-live/article212245621/Randale-und-rechte-Parolen-auf-der-Buchmesse.html

[10] http://www.spiegel.de/kultur/literatur/frankfurter-buchmesse-die-auseinandersetzung-mit-den-rechten-a-1172953.html