„Identitäre Bewegung“ will Flüchtlingshilfe im Mittelmeer sabotieren

Die Propaganda der "Identitären Bewegung" fachgerecht entfernt

Die neurechte „Identitäre Bewegung“ (IB) will Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge im Mittelmeer retten, mit eigenen Booten behindern. Dazu haben die Nazi-Hipster nach eigenen Angaben 60.000€ um Kauf von eigenen Booten eingesammelt. Die IB entwickelt sich von einer rechtsextremen aktionsorientierten Internet Community zu einer aggressiv-militanten „Kampfgemeinschaft“.

Von Franziska Wilke, Julian Feller und Makro Neumann

In diesem Jahr sind bereits über 1.650 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. In den Sommermonaten wird diese Zahl wieder massiv ansteigen. Ohne die zivilen Rettungsorganisationen wie SeaWatch, SOS Méditerranée und Jugend rettet gäbe es noch viel mehr Tote. Alleine in diesem Jahr haben sie schon über 6.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. In den Kreisen der rechtsextremen Identitären Bewegung werden die zivilen Retter als „Schlepper“ beschimpft, die „Europa mit illegaler Migration fluten“. Sie haben die Aktion „Defend Europe“ ausgerufen und planen, ein Schiff zu chartern, mit dem sie die Arbeit der Hilfsorganisationen im Mittelmeer verhindern wollen. [1]

Über 60.000 Euro wurden via Crowdfunding für das menschenverachtende Projekt gesammelt – das entspricht etwa den monatlichen Operationskosten kleinerer NGOs wie Sea-Watch e.V. Dass die Rechten ihre Aktion auch noch eine „Rettungsmission“ nennen, ist blanker Zynismus. Denn „retten“ wollen die „Identitären“ natürlich nur ihren Traum von der Festung Europa. Dafür nehmen sie anscheinend gerne Menschenleben in Kauf. [2]

Den Startschuss für „ihre Mission“ gaben die Identitären Anfang Mai in Italien. Mit einem kleinen Schlauchboot und gehisster IB-Fahne hinderte die Gruppe ein Schiff der Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“, die in diesem Jahr den deutsch-französischen Medienpreis erhält, weil sie Tausende Geflüchtete vor dem Ertrinken gerettet habe, im sizilianischen Catania am Auslaufen. Erst die Hafenbehörde ermöglichte die Weiterfahrt der „Aquarius“ in Richtung libyscher Küste. Das von den Rechtsextremisten bei dieser Aktion benutzte Boot wurde nach Sellners Angaben konfisziert. Flankiert wurde der Auftritt durch das Anbringen eines Transparentes mit der Aufschrift „Festung Europa! Grenzen schützen – Leben retten. Hilfe vor Ort statt Asylwahn“ auf dem in Bremen vor Anker liegenden Segler „Alexander von Humboldt“. [3]

Ihr Schlauchboot war nach dem Störmanöver gegen die „Aquarius“ noch nicht richtig konfisziert, da war wohl schon die Idee geboren, Geld zu sammeln für eine Fortsetzung. Zwei Tage später war eine Webseite online, die dafür warb, ein Aufruf wurde hundertfach geteilt. [4]

Während die US-amerikanische Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein Spenden-Projekt der IB Anfang des Jahres löschen ließ, ist der Link bei PayPal immer noch online. Die Richtlinien untersagten es, dass die PayPal-Dienstleistungen genutzt würden, um Zahlungen oder Spenden für Organisationen zu empfangen, die Hass oder Gewalt unterstützten“, erklärte PayPal-Sprecherin Sabrina Winter auf Anfrage dieser Zeitung. Man stimme mit Haltungen einiger Kontoinhaber nicht immer überein. „Dennoch respektieren wir natürlich das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wir überprüfen regelmäßig fragwürdige Aktivitäten auf Basis der PayPal-Nutzungsrichtlinie“, sagte Winter weiter. [5]

Die „Identitäre Bewegung“ will eine Art „patriotisches Greenpeace“ sein. Das erklärte deren österreichischer Vordenker Martin Sellner. Bisher ähnelten die Protestaktionen der IB aber weniger denen engagierter Umweltschützer als vielmehr dem Kopieren alter Aktionsformen wie unter anderem der „Konservativ-Subversiven Aktion“ um Götz Kubitschek. Etwa nach dem Motto: Stören, besetzen, provozieren und schnell verschwinden. Wenig Diskussionen, kaum Auseinandersetzungen. Kritik prallt an der Organisation ab, da sie real kaum erreichbar ist. Auf ihrem Account lassen sie Widerspruch so gut wie gar nicht zu. Es geht primär um öffentliche Provokationen mit anschließender Selbstdarstellung im Internet. Ästhetisches In-Szene-setzen spielt eine große Rolle, um die Bewegung heroisch zu präsentieren und Anhänger zu rekrutieren. [6]

Nun scheinen die „Identitären“, zu denen ohnehin auch völkische Nationalisten zählen, verstärkt auf Drill und Militanz zu setzen. In ihren Videos, auch der „Generation Identitäre“ aus Frankreich, sind sie beim Frühsport, Kampfsport und Strammstehen zu sehen. Mit der aktuellen Kampagne „Defend Europe“ machen sie das, was zuletzt die NPD propagierte, sie gerieren sich als Kampfgemeinschaft. [7]

Fußnoten:

[1] https://www.vice.com/de/article/diese-rechtsextremen-wollen-dass-fluchtlinge-im-mittelmeer-ertrinken

[2] https://www.taz.de/Identitaere-im-Mittelmeer/!5419251/

[3] http://www.endstation-rechts.de/news/kategorie/neue-rechte/artikel/identitaere-jagd-auf-hilfsorganisationen-im-mittelmeer.html

[4] https://www.derwesten.de/politik/rechtsextreme-sammeln-um-rettungen-im-mittelmeer-zu-stoeren-id210823609.html

[5] http://www.ksta.de/27756404

[6] https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/identit-re-auf-mission-im-mittelmeer

[7] https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/identit-re-auf-mission-im-mittelmeer