Konzentrationslager im heutigen Mecklenburg-Vorpommern

Kaum eine andere Institution steht symbolisch und tatsächlich so deutlich für den menschenverachtenden Terror der Nazis, wie das engmaschige Netz aus Konzentrations- und Vernichtungslager.

Von Marko Neumann

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es mehrere solcher Lager, von denen einige nur wenige Monate vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches errichtet wurden. Zwar wurden erst im späteren Verlauf des Krieges Außenlager auf dem Gebiet des heutigen M-V errichtet, ihre Bilanz ist dadurch aber nicht weniger schrecklich.

Von „Wilden-“ zu „Konzentrationslager“

Nachdem die sogenannten „Wilden Lager“, die bereits kurz nach der Machtübertragung an die Nazis im ganzen Land errichtet worden waren, wieder geschlossen werden sollten, wurde die Errichtung der sogenannten Konzentrationslager beschlossen. Am 20. März 1933 hatte Heinrich Himmler, Reichsführer SS und damals kommissarischer Münchner Polizeipräsident, die Errichtung eines KZ für politische Gegner des Nationalsozialismus angekündigt. Auf dem Gelände einer ehemaligen Pulverfabrik bei Dachau sollte das erste dieser neuen Lager entstehen und schon einen Tag nach Himmlers Dekret trafen die ersten „Schutzhäftlinge“ ein. Damit legte Himmler den Grundstein für ein Imperium des Schreckens. Im Juni 1933 wurde Theodor Eicke, ein Nationalsozialist der ersten Stunde und mittlerweile ranghoher SS-Offizier, zum Kommandant des KZ Dachau ernannt. Er entwickelte das typische Lagerregiment, die äußere Organisation mit Wachtürmen, unter elektronischer Hochspannung stehenden Zäunen und die Richtlinien der Verwaltung, die schließlich in allen Konzentrationslagern bis zum Ende des Dritten Reiches Geltung hatten.

Außenlager auf dem Gebiet des heutigen MV

Zwar sind für das heutige Territorium Mecklenburg-Vorpommerns keine Stammlager bekannt, dennoch gab es eine Vielzahl von Außenlagerstandorte, die dem KZ Ravensbrück oder dem KZ Neuengamme unterstellt waren. Sie belegen die große Spannbreite der Arbeits- und Existenzbedingungen für die Häftlinge in den Lagern. Sie reichen vom kleinen Außenkommando mit „Bibelforschern“ in einem Forschungsinstitut in Sassnitz bis zum Außenlager für die Heinkel Flugzeugwerke in Barth mit einer extrem hohen Sterberate. Einige Lager erhielten am Ende des Krieges die Funktion eines Auffanglagers für zahlreiche Standorte. Die Überbelegung der Lager mit gleichzeitig ausbleibender Verpflegung und medizinischer Betreuung ließ die Sterbezahlen in die Höhe schnellen. Beispiele dafür sind die Außenlagerstandorte Wöbbelin und Neustadt-Glewe.

Für das KZ Ravensbrück konnten bisher die Existenz von 43 Außenlagern zwischen 1942 und 1945 nachgewiesen werden. Davon befanden sich vierzehn Standorte auf dem heutigen Gebiet MV’s.

Von den insgesamt 87 Außenlagern des KZ’s Neuengamme befanden sich auf dem heutigen Territorium von Mecklenburg-Vorpommern vier. Die nur temporär eingesetzten Häftlingsgruppen auf dem Darß 1941 gehören zu den ersten Außenkommandos von Neuengamme. Zwei der Außenlager in Westmecklenburg, Boizenburg und Wöbbelin, sind sehr gut untersucht und markiert.

KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter*innen

1942 wendete sich das Krieggeschehen allmälig. Arbeitskräfte wurden zunehmend knapp im Deutschen Reich, weil immer mehr Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Schon früh wurden Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit in den unterschiedlichsten Agrar- und Industriebereichen eingesetzt. Dennoch reichten die Arbeitskräfte nicht aus und es wurde fieberhaft nach weiteren Lösungen für die Engpässe gesucht. Eine mögliche Lösung war schnell gefunden. Nach der Übernahme der Inspektion der Konzentrationslager als Amtsgruppe D in das neu gebildete SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) beschrieb der Chef des WVHA Oswald Pohl den beabsichtigten Funktionswandel des KZ-Systems in einem Brief an Heinrich Himmler vom 30.04.1942 folgender Maßen:

„Der Krieg hat eine sichtbare Strukturveränderung der Konzentrationslager gebracht und ihre Aufgabe hinsichtlich des Häftlingseinsatzes grundlegend geändert. Die Verwahrung von Häftlingen nur aus Sicherheits-, erzieherischen oder vorbeugenden Gründen allein steht nicht mehr im Vordergrund. Das Schwergewicht hat sich nach der wirtschaftlichen Seite hin verlagert.“

Nach einem mehrere Monate andauernden Ringen zwischen SS, Industrie, Wehrmachtsbehörden und Rüstungsministerium einigte man sich im September 1942, KZ-Häftlinge zukünftig an die Rüstungsindustrie zu vermieten. Auf Grundlage des gerade genannten Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Saukel, 50.000 zivile Arbeitskräfte aus den besetzten Gebiete heranzuschaffen, scheiterten die Pläne Pohls die jüdischen Häftlinge als Arbeitskräfte einzusetzen. Die verbliebenen jüdischen Häftlinge wurden Ende 1942 aus den Konzentrationslager im Reich in die Vernichtungslager deportiert.

Auch Lager in Mecklenburg und Vorpommern als Teil des Holocausts begreifen

Für viele der bereits stark geschwächten jüdischen Häftlinge aus dem Osten verwandelten sich einige Lager in Sterbelager. Damit sind diese Außenlagerstandorte auch Schauplätze des Völkermords an den Juden Europas, der Sinti und Roma sowie anderer Opfergruppen.

Die Häftlinge in diesen Lagern waren völlig rechtlos, der Willkür und Brutalität der SS ausgesetzt, mussten Zwangsarbeit leisten und lebten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen mit einer völlig unzureichenden Versorgung an Nahrung und Medikamenten. Die Todesbedrohung war allgegenwärtig.

Am Kriegsende wurden die meisten dieser Lager aufgelöst, die Häftlinge auf Transporte in andere Lager wie Malochw, Neustadt-Glewe und Wöbbelin geschafft. Das führte zu einer unbeschreiblichen Überfüllung der noch bestehenden Lager, die Todeszahlen explodierten bis zur Befreiung durch die alliierten Truppen förmlich. Das Geschehen auf den Todesmärschen der KZ-Häftlinge von Sachsenhausen und Ravensbrück in Richtung Nordwesten sowie auf den Häftlingsschiffen in der Lübecker Bucht stellen das letzte Kapitel des faschistischen Terrors auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns dar. Mehrere tausend Menschen starben auch hier an der menschenverachtenden Behandlung durch die Aufseher*innen, der fehlenden Verpflegung und medizinischen Versorgung und in den letzten Wochen des Bestehen des Dritten Reiches während den Todesmärschen aus den bereits befreiten Lagern.