„Migrationsmoratorium“, „Pseudofamilien“ „EU-Austritt“ und mehr – AfD beschließt Wahlprogramm

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat am Wochenende ihr Programm zur Bundestagswahl verabschiedet. Einmal mehr wurde deutlich: die rechtsextremen Hardliner setzen sich in der Partei mehr und mehr durch. Der nächste Bundesparteitag soll im November in Rostock stattfinden.

Von Franziska Wilke und Janin Krude

Die AfD hat nach stundenlanger Debatte ihr Programm für die Bundestagswahl am 26. September einstimmig beschlossen. Für den mit vielen Änderungen versehenen Leitantrag stimmten am Sonntag in der Dresdner Messe etwa 400 Delegierte, am Samstag hatten noch rund 570 teilgenommen. [1]

Den großen personellen Konfliktstoff räumte der Parteitag gleich zu Beginn seiner Versammlung ab, wenn auch nur äußerst knapp: Mit 50 zu 49 Prozent sprachen sich die Delegierten dafür aus, an diesem Wochenende noch nicht über mögliche Spitzenkandidat*innen für die Bundestagswahl zu entscheiden. Sicher ist nur: Es soll ein von der Parteibasis gewähltes Duo sein. [2]

Gegen intensive Warnungen des gemäßigten Flügels und von Parteichef Jörg Meuthen, der dem Europaparlament angehört, plädiert die AfD für einen Austritt aus der EU. Im Wahlprogramm heißt es: „Wir halten einen Austritt Deutschland aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.“ [3]

Beim Thema Migration setzten sich ebenfalls die Hardliner durch. Die Einwanderung – auch von Fachkräften – soll stark eingeschränkt werden. Als Vorbild soll Japan dienen. Trotz Warnung eines Delegierten wurde auch ein Passus beschlossen, der einen Fachkräftemangel im Grund leugnet. Der „sogenannte Fachkräftemangel“ sei ein „konstruiertes Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine“, heißt es nun. [4]

Partei-Rechtsaußen Björn Höcke setzte zunächst ein „Migrationsmoratorium“, also einen Stopp für jegliche Einwanderung durch. Später ruderte der Parteitag noch etwas zurück. Der Fachkräftemangel sei ein „konstruiertes Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine“, also eine Erfindung! Höcke will, dass sich Deutschland die restriktive Einwanderungspolitik von Japan zum Vorbild nimmt. [5]

Nachdem der AfD-Parteitag hier zunächst zugestimmt hatte, protestierte sogar die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, die auch stellvertretende Bundessprecherin ist! Sogar ihr, die selbst zum rechtskonservativen Flügel der Partei eingeordnet wird, ging der Beschluss zu weit. Höckes Vorstoß war ihr zu radikal und zu rechts! [6]

Die Hetze geht munter weiter: Regenbogenfamilien werden im AfD-Wahlprogramm indirekt als „Pseudofamilien“ diffamiert. „Die AfD bekennt sich zur Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern“, heißt es dazu im familienpolitischen Kapitel. „Durch ideologisch motivierte Desorientierung von linksgrüner Seite soll das in den Familien überlieferte Werte- und Bezugssystem aufgebrochen und durch pseudofamiliäre Leitbilder ersetzt werden.“ [7]


Auch die angebliche „Frühsexualisierung“ fand – wie bereits zur Bundestagswahl 2017 – erneut Einzug in das Wahlprogramm der Rechtsextremen. „Politische Ideologien, wie z.B. Genderwahn und Klimahysterie, werden den Kindern heute schon im Vorschulalter nähergebracht“, behauptet die AfD. „Häufig wird die politische Beeinflussung von einer Frühsexualisierung im Sinne ‚diverser‘ Geschlechterrollen begleitet.“ [8]

Während die AfD-Basis in der Messehalle stritt, kam es in unmittelbarer Sichtweite zu einer Protestkundgebung gegen den Parteitag. Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ und andere Aktivisten mobilisierten Teilnehmer im niedrigen dreistelligen Bereich. Zeitweise blockierte ein Fahrradkorso den Zufahrtsweg zum Messegelände. Über der Straße entrollten Aktivisten zudem ein Banner in den Baumwipfeln und harrten dort aus. [9]

Die AfD wurde im Jahr 2013 gegründet und hat vor allem im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 an Wählerstimmen gewonnen. Die Partei bildet die größte Opposition im Bundestag. Mehrere Landesverbände und AfD-Mitglieder unterhalten Kontakte zu rechtsextremen und neurechten Gruppierungen und werden teilweise als rechtsextreme Verdachtsfälle vom Bundesverfassungsschutz eingestuft. Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl sehen die Partei bei rund elf Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 kam die AfD auf 12,6 Prozent der Stimmen. [10]

Fußnoten:

[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/parteien-afd-beschliesst-wahlprogramm-klare-absage-an-eu-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210411-99-156953

[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150607.bundesparteitag-der-afd-kopflos-aber-radikal-mit-hoecke.html

[3] https://www.dw.com/de/afd-zieht-mit-radikalen-forderungen-in-den-wahlkampf/a-57162403

[4] https://www.cicero.de/innenpolitik/afd-parteitag-dresden-wahlprogramm-hardliner-joerg-meuthen

[5] https://www.derwesten.de/politik/afd-parteitag-beatrix-von-storch-bjoern-hoecke-einwanderer-id232015429.html

[6] https://www.derwesten.de/politik/afd-parteitag-beatrix-von-storch-bjoern-hoecke-einwanderer-id232015429.html

[7] https://www.queer.de/detail.php?article_id=38576

[8] https://www.queer.de/detail.php?article_id=38576

[9] https://www.endstation-rechts.de/news/afd-bundesparteitag-in-dresden-gute-miene-zum-boesen-spiel.html

[10] https://www.dw.com/de/afd-wahlprogramm-radikal-rechte-opposition/a-57133280