Rechtsextremer „Trauermarsch“ in Köthen: (K)ein zweites Chemnitz

Die neofaschistische Kleinstpartei Dritter Weg instrumentalisiert den Tod eines Mannes und rief vergangenen Sonntag zu einem „Trauermarsch“ in Köthen (Sachsen-Anhalt) auf, an dem sich mehr als 2000 Menschen beteiligten. Im Verlauf des Aufmarsches wurde die Stimmung immer aggressiver. Etwa 200 Menschen protestierten gegen rechte Hetze. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften vor Ort.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

In Köthen war es in der Nacht zum Sonntag zum Streit zwischen mehreren Männern auf einem Spielplatz gekommen. Gegen zwei Afghanen wird nun wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt, sie sitzen in Untersuchungshaft. [1] Wie die Polizei bekanntgegeben hat, ist der junge Deutsche an akutem Herzversagen gestorben. Der Mann hatte eine auf das Herz bezogene Vorerkrankung. Ein Zusammenhang zu erlittenen Verletzungen konnte nicht hergestellt werden, nach dpa-Informationen gab es zunächst keine Hinweise für irgendeine Art von schwerster Gewalteinwirkung. [2]

Am Sonntagabend beteiligten sich nach Schätzungen rund 2500 Menschen an einer Kundgebung, die als sogenannter Trauermarsch vermarktet wurde. Die Teilnehmer zogen nach Augenzeugenberichten zunächst schweigend und ohne Transparente oder Spruchbänder durch die Straße in Richtung eines Spielplatzes, wo sich der Streit ereignet hatte. Dort legten Teilnehmer Blumen nieder. Nach stillem Beginn wurde die Stimmung allerdings zwischenzeitlich aggressiver. [3]

Der Marsch war von der Nazipartei »Die Rechte« angemeldet worden. Einer der Redner sprach unter anderem von einem »Rassenkrieg gegen das deutsche Volk«. Ein Korrespondent der französischen Zeitung »Le Monde« veröffentlichte ein Video im Internet, in dem Demonstrationsteilnehmer »Nationalsozialismus jetzt jetzt jetzt!« rufen. »Widerstand«, »Auge um Auge, Zahn um Zahn« und »Wir sind das Volk« skandierten die »Trauernden«. Es kam zu Übergriffen auf Journalisten. [4]

Die Gegendemonstration, spontan ins Leben gerufen vom Bündnis „Dessau Nazifrei“, zählte nach Polizeiangaben 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die teils aus Berlin angereist waren. Diese reisten unter Polizeischutz ab, herauseskortiert aus der Stadt, vielleicht, um nicht den Wölfen zu begegnen. [5]

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einer Instrumentalisierung des Falls. „Bei aller Emotionalität ist jeder Versuch zurückzuweisen, aus Köthen, wie es im Internet heißt, ein zweites Chemnitz machen zu wollen“, sagte er. [6]

Aus Chemnitz, so erscheint es nach diesem Sonntag, haben alle etwas gelernt. Die Rechtsextremen, weil sie inzwischen wissen, wie einfach sie Taten wie diese ausnutzen können, um binnen Stunden Tausende Teilnehmer zu mobilisieren. Die Polizei, weil sie Beamtinnen und Beamte aus Niedersachsen und Berlin zur Unterstützung anforderte und die Rechtsextremen nicht wie in Chemnitz unbehelligt Menschen angreifen ließ. Und ein Bürgermeister wie Hauschild, der weiß, dass er schneller sein muss als die Rechten, nicht nur, um Ausschreitungen zu verhindern, sondern auch, um möglichst viele davon abzuhalten, sich den inszenierten „Trauermärschen“ anzuschließen. [7]

Fußnoten:

[1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/koethen-demonstration-bernd-hauschild-chemnitz

[2] https://www.svz.de/20979452

[3] https://www.tagesspiegel.de/politik/sachsen-anhalt-22-jaehriger-stirbt-nach-streit-in-koethen/23014460.html

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1099957.rechte-in-koethen-trauermarsch-mit-naziparolen.html

[5] http://taz.de/Nach-Chemnitz/!5534202/

[6] https://www.watson.de/deutschland/rechtsextremismus/856129785-nach-trauermarsch-mit-nazi-symbolen-ruft-koethens-buergermeister-zu-besonnenheit-auf

[7] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/koethen-demonstration-bernd-hauschild-chemnitz/seite-2