Rostock: Podiumsveranstaltung „Der Terror des NSU – 5 Jahre Selbstenttarnung! 5 Jahre Aufklärung?“ am 18.02.17 im Waldemarhof

 

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ ist für die schwerste neonazistische Terrorserie der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich. Motiviert durch ihr rassistisches Weltbild ermordete die Organisation zwischen 2000 und 2006 neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Hinzu kommen schwere Sprengstoffanschläge mit dutzenden zum Teil Schwerverletzten und zahlreiche Banküberfälle. Auch in Mecklenburg-Vorpommern zeichnete sich die terroristische Vereinigung für mehrere Straftaten verantwortlich.

Am 25. Februar 2004 wurde Mehmet Turgut im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel erschossen, als er in einem Imbiss aushalf. In Stralsund beginn der NSU 2006 und 2007 zwei Banküberfälle, um sich das Leben im Untergrund zu finanzieren. Nur durch Zufall – aufgrund eines missglückten Banküberfalls im thüringischen Eisenach – enttarnte sich der NSU im November 2011 schließlich selbst.

Seither versuchen parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Bundestag als auch in mehreren Landtagen (Thüringen, Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Brandenburg) die genauen Umstände der Terrorserie aufzuarbeiten. Im Fokus steht hierbei unter anderem die Rolle staatlicher Sicherheitsbehörden, die nicht dazu beitrugen die Mordserie zu beenden. Vielmehr erschüttert das Handeln des Verfassungsschutzes nach wie vor regelmäßig die bundesdeutsche Medienlandschaft. Abgeordnete sprechen in diesem Zusammenhang von einem „unfassbaren Totalversagen der Behörden“.

Seit 2013 wird zudem vor dem Oberlandesgericht in München gegen Beate Zschäpe und André Eminger, Holger Gerlach, Carsten Sch. sowie Ralf Wohlleben, als mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle verhandelt. Der Vorwurf lautet Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwere Brandstiftung sowie Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Prozessbeteiligte kritisierten bereits mehrfach den Verfahrensverlauf. Vor allem das Auftreten von Zeugen aus der rechten Szene und die wiederholte Nichtwürdigung von Beweisanträgen der Nebenklagevertretung führten in der Vergangenheit des Öfteren zu Unzufriedenheit.

Neben engagierten Journalisten, sind es vor allem auch lokale Gedenkinitiativen, die eine zentrale Rolle in der Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit an die Mordfälle und Sprengstoffanschläge spielen. In Rostock ist es die Initiative „Mord verjährt nicht!“, die seit Jahren auf die Ausläufer der rechten Terrorserie im Nordosten Deutschlands hinweist. Durch jährlich stattfindende Gedenkveranstaltungen hält sie die Erinnerung an den Mord im Neudierkower Weg wach. Darüber hinaus stellte die Initiative im direkten Austausch mit den Angehörigen von Mehmet Turgut zentrale Forderungen an die Hansestadt Rostock. Sie sorgte schließlich dafür, dass sich politisch Verantwortliche dem Thema und Gedenken annahmen. Nicht alle Forderungen wurden jedoch erfüllt.

Am 25. Februar 2004 wurde Mehmet Turgut in Rostock regelrecht hingerichtet. Nachdem die Ermittlungen jahrelang in eine völlig falsche Richtung liefen und die Betroffenen selbst im Fokus der Sicherheitsbehörden standen, wissen wir seit dem November 2011, dass Neonazis hinter dieser Tat stecken. Doch noch immer gibt es hier sehr viele blinde Flecken in der Aufarbeitung der genauen Tatumstände. Gab es Mitwissende, bekam der NSU Unterstützung aus Mecklenburg-Vorpommern, gab es weitere Tatbeteiligte, die unter anderem beim Ausspähen des Tatortes halfen und warum Mehmet Turgut? All diese Fragen sind bis heute ungeklärt. Es ist fast ausschließlich Journalisten und Journalistinnen, engagierten Beteiligten in den Untersuchungsausschüssen und dem Prozess, sowie lokalen Initiativen zu verdanken, dass wir davon ausgehen müssen, dass noch nicht alle Facetten der Terrorserie ausreichend beleuchtet wurden. Deshalb freue ich mich besonders, dass die Podiumsgäste, aus ihrer jeweiligen Sicht, zu den Themen Aufklärung, Aufarbeitung und Verantwortung sprechen werden.

Die Veranstaltung findet am Samstag, dem 18.02.2017, ab 18 Uhr 30 statt. Abwesend sein werden Expert*innenen zum Themenkomplex „Nationalsozialistischer Untergrund“ im Rostocker Waldemarhof (Waldemarstraße 33). Erwartet werden Petra Pau (MdB; Obfrau im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags), Dr. Anna Luczak (Anwältin der Nebenklage im Münchener NSU-Prozess) und Imam-Jonas Dogesch (Mitglied des Migrantenrates und der Initiative „Mord verjährt nicht!“).

Eine Veranstaltung der Landtagsabgeordneten Karen Larisch mit Unterstützt durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern.