US-Senatoren drohen vorpommerschen Fährhafen wegen Nord Stream 2

Die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und Russland erreichten vergangene Woche das beschauliche Vorpommern. Wegen der Beteiligung am Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 drohen US-Senatoren dem Fährhafen Sassnitz.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

US-Senator Ted Cruz ist um klare Worte nie verlegen, wenn es darum geht, gegen die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu Felde zu ziehen. Nun nimmt er den Fährhafen Sassnitz ins Visier. Gemeinsam mit seinen Senatoren-Kollegen Tom Cotton und Ron Johnson hat Cruz die Geschäftsführung der Fährhafen Sassnitz GmbH angeschrieben. In einem drei Seiten umfassenden Brief vom 5. August drohen Cruz, Cotton und Johnson mit empfindlichen Konsequenzen für den Fall, dass das Unternehmen, das den Mukran Port auf Rügen betreibt, die logistische Unterstützung für Nord Stream 2 nicht umgehend einstellt. [1]

Die amerikanischen Politiker beziehen sich explizit auf zwei russische Schiffe, die „Fortuna“ und die „Akademik Cherskiy“, die in Mukran anlegen, dort gelagerte Rohre aufnehmen und die Pipeline fertig bauen sollen. Im Stadthafen Sassnitz hat zudem ein Wohnschiff festgemacht, auf dem 140 Arbeiter logieren, die beim Endspurt des Projektes auf den Schiffen beschäftigt werden sollen. [2]

Damit wird erstmals ein Fall öffentlich bekannt, in dem sich Sanktionen direkt gegen ein deutsches Unternehmen richten. Besonders brisant: Der Fährhafen gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu 10 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Damit richtet sich die Drohung indirekt auch gegen eine Landesregierung. Zusätzliche Brisanz erhält sie dadurch, dass der Hafen Sassnitz-Mukran auf Rügen im Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt. [3]

Der Hafen spielt eine zentrale Rolle beim Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die aus Russland kommend in Lubmin am Greifswalder Bodden anlanden soll. In Sassnitz lagern die für die Fertigstellung benötigten Stahlrohre, die in einer Fabrik in Mukran mit Beton ummantelt wurden. [4]

In Deutschland löste der neuerliche US-Vorstoß scharfe Kritik aus – allerdings nur von Politikern aus der zweiten Reihe. So schickte Außenminister Heiko Maas (SPD) seinen Stellvertreter Niels Annen vor, der die Initiative im Handelsblatt als „völlig unangebracht“ kritisierte. Maas selbst äußerte sich nicht. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), nannte die Drohungen von Cruz und Co. gegenüber dem Tagesspiegel „absolut inakzeptabel“. Deutschland könne selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie beziehe. Sie erwarte von der Bundesregierung, „dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt“, so Schwesig. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, Klaus Ernst (Die Linke), nannte den Drohbrief der Senatoren „an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten“. Er warf der Bundesregierung vor, es bisher bei verbalen Protesten belassen zu haben. Nun sei der Moment gekommen, zum Beispiel Strafzölle auf US-Flüssiggas zu verhängen. [5]

Die USA befürchten, dass Europa damit noch abhängiger von russischen Gaslieferungen wird. Außerdem würde das wichtige Gas-Transitland Ukraine geschwächt, weil diesem grosse Gasmengen, für deren Transport es Gebühren verlangt, abhandenkämen. Europäische Kritiker werfen Washington im Gegenzug vor, mit seinen Sanktionsdrohungen nur die eigenen, teureren Flüssiggasexporte in Europa konkurrenzfähig machen zu wollen. [6]

Fußnoten:

[1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/ostsee-pipeline-nord-stream-2-us-senatoren-drohen-hafen-auf-ruegen-mit-finanzieller-zerstoerung/26071948.html?nlayer=Newsticker_1985586

[2] https://www.nzz.ch/international/wirtschaftliche-kriegserklaerung-gegen-sassnitz-und-nord-stream-2-ld.1570257

[3] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88360476/ostseehafen-sassnitz-mukran-neue-us-sanktionsdrohung-trifft-merkels-wahlkreis.html

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140220.us-senatoren-drohen-dem-hafen-sassnitz.html

[5] https://www.jungewelt.de/artikel/383804.us-imperialismus-schurkenstadt-sassnitz.html [6] https://www.nzz.ch/international/wirtschaftliche-kriegserklaerung-gegen-sassnitz-und-nord-stream-2-ld.1570257