Welcome to Polizeistaat: G20 Proteste in Hamburg von Polizeigewalt überschattet

Gefahrengebiet 2.0? Protest gegen den G20 Gipfel wird vielerorts von Polizeigewalt überschattet.

Mehrere zehntausende Menschen protestieren in Hamburg gegen die menschenverachtende Politik der G20. Schon im Vorfeld des Gipfels wurde der Protest durch die Polizei schikaniert und teilweise versucht zu verhindern. Donnerstag Abend griff die Polizei die angemeldete Demonstration „Welcome to hell“ nach nur wenigen hundert Metern massiv an und entfachte damit eine Spirale der Gewalt.

Von Franziska Wilke, Julian Feller und Marko Neumann

Die Fronten waren verhärtet: Anfang Juni hatte die Hamburger Polizei ein Demonstrationsverbot in der Innenstadt für die Zeit des G20-Gipfels verhängt. Eine Woche vor dem Gipfel waren dann die Camps, auf denen die Tausenden Demonstranten während der Zeit der Proteste zu schlafen gedachten, verboten worden. Ein genehmigtes Camp weitab vom Schuss wurde in den frühen Morgenstunden von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen, ein Gericht genehmigte den Einsatz im Nachhinein. [1]

Welcome to Polizeistaat Hamburg: Die Selbstermächtigung der staatlichen Exekutive

Die Polizei probt in Hamburg in bester Manier der Selbstermächtigung den Ausnahmezustand. Sogar sie selbst räumt auf Nachfrage ein, dass Straftaten vor dem Einsatz nicht vorgelegen hätten. [2]

Gegen 16 Uhr hatte die Kundgebung auf dem Hamburger Fischmarkt begonnen, rund 12.000 Menschen protestierten friedlich gegen die Politik der G20. Als sich der Demostrantionszug gegen 19 Uhr wie geplant Richtung Messehallen in Bewegung setzte, wurde er nach rund 100 Metern von der Polizei gestoppt. [3] Die Begründung: Verstoße gegen das Vermummungsverbot. Das Gesetz untersagt in der Tat, »in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen«. Doch was ist Vermummung? Und wann wird sie verfolgt? Reicht eine Sonnenbrille mit Kapuze? Muss es die berühmt-berüchtigte »Hasskappe« sein? [4]

Die Polizei setzte wiederholt Wasserwerfer und Pfefferspray ein. Die Polizei meldete 159 verletzte Beamte. 45 Menschen seien festgenommen und 12 in Gewahrsam genommen worden. [5] Andreas Blechschmidt von den Anmeldern von „Welcome to Hell“ sagte unter Berufung auf Aussagen von Anwälten der Demonstranten, es habe bis späten Donnerstagabend zwischen 10 und 20 Festnahmen gegeben. [6]

Die Polizei trieb die rund 12.000 großteils friedlichen Teilnehmer der Demonstration auseinander. Sie meldete insgesamt 74 verletzte Polizisten, drei von ihnen mussten demnach im Krankenhaus behandelt werden. Piloten eines Polizeihubschraubers erlitten nach Angaben der Polizei Augenverletzungen durch Laserpointer. Auch zahlreiche Demonstranten wurden nach Angaben der Veranstalter verletzt – einige ernsthaft. [7]

Nach dem Ende der Demo kam es bis tief in die Nacht in der Innenstadt immer wieder zu Straßenschlachten, Schaufenster wurden zerstört, Autos angezündet, Barrikaden errichtet, Verkehrsschilder aus ihrer Verankerung gerissen. [8]

Niemand hat die Absicht, die Demonstrationsfreiheit einzuschränken“

Die Angst vor Ausschreitungen wurde als Rechtfertigung genommen, um die Teilnehmer der „Welcome to Hell“ mit schwerem Gerät beiseite zu räumen. Tatsächlich gab es eine große Anzahl vermummter Demonstranten. Dies rechtfertigt aber nicht die Verhinderung des legitimen Protest von tausenden Friedlichen. Demonstrieren ist ein demokratisches Grundrecht und darf auch in einer Millionenstadt während des Gipfels nicht außer Kraft gesetzt werden. [9]

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verurteilte die Strategie der Polizei. „Die Auseinandersetzungen bei der Demonstration „Welcome to Hell“ waren eine Eskalation mit Ansage: Es ist offenkundig, dass diese Demonstration nach dem Willen von Polizei und Senat nie laufen sollte“, sagte Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. [10]

Nach der vor allem staatlichen Gewalteskalation beim Gipfel in Genua waren sich alle Experten und Verantwortlichen dieser Welt einig: „Einen solchen Gipfel nie wieder in einer Großstadt.“ Diese eiserne Regel wurde jetzt nach vielen Jahren durch die Bundesregierung gebrochen. [11]

Demokratische Inszenierung und neoliberale Wirklichkeit

Das Verhalten der Polizei ist unverhältnismäßig. Das friedliche Massencornern am Dienstag wurde gewaltsam von der Polizei geräumt. Deutschland inszeniert sich auf dem G20-Gipfel als demokratisches Land, indem das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gewährleistet wird. Wenn Deutschland mit einem guten Beispiel voran gehen und das Signal einer demokratischen Gesellschaft in die Welt senden will, sollte die Polizei nicht in einer Form gegen Demonstranten vorgehen, welches an Repressionen in Ankara oder Moskau erinnert. [12]

Die in Hamburg versammelten Regierungschefs führen mit einer Mischung aus Neoliberalismus und neu aufgeflammtem Nationalismus die Welt an den Abgrund. Ihre Politik ist keine Lösung, sondern das Problem aller wichtigen Fragen der Menschheit. Sei es Ökonomie, Krieg und Frieden, Klima , Menschenrecht und Demokratie. Viele der Mächtigen befürchten zunehmenden Protest. Statt ihre Politik zu ändern, wird mit Polizeiknüppeln reagiert. [13]

Fußnoten:

[1] https://www.vice.com/de/article/wj8jp9/wir-waren-in-der-holle-von-g20-zwischen-knuppeln-und-pfefferspray

[2] http://taz.de/Kommentar-G20-Proteste-in-Hamburg/!5427545/

[3] http://www.deutschlandfunk.de/diskussion-ueber-verantwortung-fuer-eskalation-g20-proteste.2852.de.html?dram:article_id=390440

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1056624.wir-sind-friedlich-was-seid-ihr.html

[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Scholz-verurteil-Gewalt-G20-Gegner-fordern-Ruecktritte,gipfeltreffen552.html

[6] http://www.n-tv.de/politik/Dutzende-Verletzte-und-Festnahmen-bei-Anti-G20-Protest-article19924349.html

[7] http://www.n-tv.de/politik/Dutzende-Verletzte-und-Festnahmen-bei-Anti-G20-Protest-article19924349.html

[8] http://www.deutschlandfunk.de/diskussion-ueber-verantwortung-fuer-eskalation-g20-proteste.2852.de.html?dram:article_id=390440

[9] http://www.ksta.de/27931276

[10] http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_81605618/g20-protest-in-hamburg-hoellendemo-eskaliert-massive-gewalt.html

[11] http://www.beobachternews.de/2017/07/06/konfrontation-von-staats-wegen/

[12] http://www.ksta.de/27931276

[13] http://www.beobachternews.de/2017/07/06/konfrontation-von-staats-wegen/