Wie das EU-Parlament das freie Internet begraben hat

Das Europäische Parlament hat die umstrittene Urheberrechtsreform durchgewunken. Nun soll diese Reform in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Was bedeutet das für das bisherige Internet?

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

Das EU-Parlament hat für eine Urheberrechtsreform gestimmt. Die Auswirkungen sind jedoch erst absehbar, wenn die neue EU-Richtlinie vom Bundestag in nationales Recht überführt wird. Die Reform enthält eine Haftungs- und Lizensierungspflicht für Internetplattformen, welche künftig gezwungen werden, alles, was ihre Nutzer hochladen, mit Upload-Filtern auf Urheberrechtsverstöße zu überprüfen. Es ist davon auszugehen, dass diese Filter eine hohe Fehlerquote haben werden. [1]

Widerstand gegen umstrittene Urheberrechtsreform

Erst am vergangenen Wochenende waren allein in Deutschland gut 150.000 Menschen gegen Upload-Filter auf die Straße gegangen. Sie sehen das freie Internet in Gefahr, da die Netzkultur auf dem Kopieren und Remixen von Bildern, Soundschnipseln und Sequenzen basiere, die andere erschaffen haben. Wenn Upload-Filter so etwas in Zukunft unterdrücken würden, sei das Internet nicht mehr dasselbe. [2]

„Es ist sehr enttäuschend, dass die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger nicht bei den Abgeordneten angekommen sind“, erklärte Dominic Kis, ein Mitinitiator der Proteste gegen die Reform am vergangenen Samstag. Mit der Niederlage sei die Arbeit der Initiative „Save Your Internet“ aber nicht beendet. Nun richte sich der Blick auf die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden muss. „Vielleicht können wir dort die Richtlinie in die richtige Richtung verschieben.“ [3]

Marcus Liwicki, Professor am Lehrstuhl für Maschinelles Lernen der Lulea Universität in Schweden, warnt: „Das neue Gesetz ist grundsätzlich schwer umzusetzen. Es ist schlicht unfair, die Verantwortung für die Überwachung den Plattformen zuzuschieben. Gebrauchtwarenmärkte müssten zukünftig alle Waren überprüfen, ob es sich um Originale oder um Raubkopien handelt. Telefonanbieter müssten alle Konferenzanrufe kontrollieren, ob sie nicht urheberrechtlich geschützte Inhalte enthalten, sobald der Anruf mehr als X Teilnehmer erreicht.“ [4]

Nur ein kleiner Teil der Urheber*innen profitiert überhaupt

Von dieser Reform profitiert nur ein Teil der Urheber. Vor allem Komponisten und GEMA-Mitglieder wurden immer wieder als Protagonisten in zahlreichen Interviews nach vorne gestellt. Sie beschwerten sich darüber, dass ihre Songs bei Youtube zu finden sind, damit Geld verdient wird und bei ihnen kaum etwas davon ankommt. [5]

Aber sie sind nur eine kleine Gruppe, eine aus der alten Zeit. Zu ihnen gesellen sich viele neue professionelle Urheber, etwa Youtuber. Mehr noch: So gut wie jeder von uns ist mit seinem Smartphone schon zum publizierenden Urheber geworden. [6]

Artikel 11 sieht ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Presseverlage vor. Suchmaschinenbetreiber wie Google müssen künftig Geld an Zeitungsverlage zahlen, wenn sie in ihren Suchergebnissen oder bei Google News, kleine Artikel-Ausschnitte anzeigen. [7]

Das kann den Verlagshäusern höhere Einnahmen bescheren, es sei denn, News-Aggregatoren wie „Google News“ schalten ihren Dienst in Europa einfach ab. Falls es zu nennenswerten Einnahmen führt, wird davon bei den eigentlichen Kreativen allenfalls ein geringer Bruchteil ankommen. Dafür müssen sie künftig wieder die Gelder, die von Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet werden, mit Medienhäusern und Verlagen teilen. [8]

Fortschritt lässt sich nicht aufhalten

Der Streit um Artikel 13 ist nicht nur ein Streit um ein sinnvolles Urheberrecht, sondern auch ein Konflikt zwischen der jungen Social-Media- und der älteren E-Mail-Generation. Die E-Mail-Generation will dem Internet alte Regeln einer weitgehend analogen Welt aufzwingen, die Social-Media-Generation fühlt sich zu Recht übergangen. Aber eines steht fest: Irgendwann ist es die Social-Media-Generation, die in den Parlamenten die Mehrheit hat. [9]

Fußnoten:

[1] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1115317.eu-urheberrechtsreform-schaden-fuer-die-demokratie.html

[2] http://taz.de/Richtlinie-zum-Urheberrecht/!5582962/

[3] https://diepresse.com/home/ausland/eu/5602224/CDU-will-neues-Urheberrecht-ohne-Uploadfilter-umsetzen

[4] https://www.focus.de/wissen/natur/toetet-das-neue-urheberrecht-die-memes_id_10501890.html

[5] https://netzpolitik.org/2019/chance-verpasst-dieses-urheberrecht-bleibt-in-der-vergangenheit-stecken/

[6] https://netzpolitik.org/2019/chance-verpasst-dieses-urheberrecht-bleibt-in-der-vergangenheit-stecken/

[7] http://taz.de/Richtlinie-zum-Urheberrecht/!5582962/

[8] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1115317.eu-urheberrechtsreform-schaden-fuer-die-demokratie.html

[9] https://www.vice.com/de/article/pan5b7/artikel-13-kommt-was-du-jetzt-mit-deiner-wut-anfangen-kannst