Wieder Sachsen: Deutsche stürmen Geflüchtetenunterkunft in Wurzen

Im sächsischen Wurzen stürmten vergangenen Freitag Deutsche eine Geflüchtetenunterkunft. Dem Überfall vorausgegangen waren bereits Angriffe auf Geflüchtete außerhalb der Unterkunft.

Von Franziska Wilke und Marko Neumann

Es ist eher ungewöhnlich, dass sich die sächsische Polizei gleich zu Beginn ihrer Ermittlungen für etwas entschuldigt. Genau das haben Beamte der Polizeidirektion Leipzig getan. In einer Polizeimeldung vom Sonnabend erklären die Beamten, dass die geschilderten Abläufe »eine gewisse Unübersichtlichkeit« hätten und man zur Darstellung leider auf eine »Vereinfachung« zurückgreifen müsse, auch was »die wenig differenzierenden Begriffe ‘Deutsche’ und ‘Ausländer’« angehe. Beim Lesen der Meldung wird deutlich, dass die Polizei vorsichtig und zugleich auch verunsichert agiert. Der Grund: In Wurzen ist es nicht das erste Mal, dass es zu einem Angriff auf ein Wohnhaus von Geflüchteten gekommen ist. [1]

Dem Vorfall am Freitagabend war ein Wortgefecht zwischen beiden Gruppen am Bahnhof vorausgegangen. Die Parkanlage sei ein bekannter Treffpunkt junger Erwachsener, sagte ein Sprecher der Polizei FOCUS Online. Womöglich sei es zu einem Streit darüber gekommen, wer sich an diesem Ort aufhalten darf. [2]

Die „Ausländer“ hätten sich darauf in ihr Wohnhaus zurückgezogen. Zwei Deutsche hätten dort die Haustür beschädigt. Darauf seien ihnen einige Migranten gefolgt und wiederum auf die große Gruppe getroffen. Die habe sie zurück zur Unterkunft gejagt, worauf zwölf Bewohner mit Messern und Knüppeln die Verfolger angriffen – die dann das Haus stürmten. [3]

Vier Gestalten rennen anschließend durchs Treppenhaus nach oben. Wieder klirrt es, die Scheibe der Wohnungstür im dritten Stock. Die vier Männer sind mit Sturmhauben vermummt, einer greift durch das Loch nach der Türklinke auf der Wohnungsseite. Sie stürmen in den Flur, zwei von ihnen bleiben stehen, halten die Bewohner im Schach. Die zwei anderen gehen an das Ende des Flurs, biegen in den Raum auf der rechten Seite ab, ins Schlafzimmer, wo Abdel [Name geändert] mitten im Raum steht. [4]

Abdel wird gezielt in den Bauch getreten. Er geht zu Boden. Ein Tritt auf das Handgelenk folgt – das Profil vom Schuh hinterlässt blutige Schrammen. Dann habe ein Angreifer mit einer langen Holzstange auf seinen Oberarm geschlagen, Abdel kann sich irgendwie auf sein Bett retten. Dadurch sei er dem Stromschlag eines Tasers entkommen, sagt er. Den habe einer der Angreifer auf ihn abgefeuert, der Schuss geht ins Leere. Draußen habe man, fünf bis zehn Minuten nachdem die Männer in die Wohnung kamen, Sirenen gehört, berichten Bewohner des Hauses. [5]

Um die rivalisierenden Gruppen zu trennen, wurden laut Loepki alle Kräfte des Streifendienstes aus dem Revier Grimma zusammengezogen und auch Einsatzkräfte aus Leipzig nach Wurzen beordert. Vor Ort stellten die Beamten die Identitäten der Beteiligten fest. Festnahmen gab es nicht. Es sei bislang noch unklar, wer die Angriffe begangen habe. Dies müsse jedem Einzelnen konkret nachgewiesen werden, so Loepki. Dazu liefen noch Zeugenbefragungen. [6]

Fußnoten:

[1] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1076138.rassismus-in-sachsen-mob-in-wurzen-stuermt-wohnhaus-von-gefluechteten.html

[2] https://www.focus.de/panorama/welt/wurzen-bei-leipzig-sechs-verletzte-nach-massenschlaegerei_id_8294902.html

[3] http://www.taz.de/!5474434/

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1076178.rassismus-in-wurzen-hetzjagd-von-deutschen-auf-gefluechtete.html

[5] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1076178.rassismus-in-wurzen-hetzjagd-von-deutschen-auf-gefluechtete.html

[6] http://www.lvz.de/Region/Wurzen/Wurzen-Fuenf-Verletzte-bei-Uebergriffen-an-der-Asylunterkunft-in-der-Dresdner-Strasse