„Wir werden ihn niemals vermissen“: Dortmunder Neonazi „SS-Siggi“ ist tot

Er galt als einer der bundesweit bekanntesten Neofaschisten, nun ist er gestorben: Siegfried Borchardt aus Dortmund. Obwohl er außerhalb der nordrhein-Westfälischen Großstadt kaum Einfluss hatte, inszenierte er sich oft als schillernde Galionsfigur der Neonaziszene. Nun ist er mit 67 Jahren verstorben. Wir werden ihn niemals vermissen.

Von Franziska Wilke und Janin Krude

Der Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt ist tot. Er sei im Alter von 67 Jahren nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt in der Nacht zu Sonntag gestorben, teilte die Splitterpartei Die Rechte mit. Die Polizei bestätigte am Montag den Tod des als „SS-Siggi“ bekannten Rechtsextremen. [1]

Borchardts Vorstrafenregister ist lang, darin aufgeführt werden unter anderem Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung. Bei Neonazi-Aufmärschen mischte Borchardt immer wieder mit und zeigte hierbei auch den Hitlergruß – deswegen verurteilte ihn zum Beispiel das Dortmunder Amtsgericht 2003 zu vier Monaten Haft ohne Bewährung. [2]

Für Aktivitäten und Straftaten hatte der Neonazi viel Zeit – über lange Jahre war er arbeitslos und wurde vom Jobcenter alimentiert – allerdings hieß es bei ihm nur „fördern – nicht fordern“. Wie aus internen Akten bekannt wurde, hatte man beim Dortmunder Jobcenter offenbar Angst, den Neonazi einzubestellen und zur Arbeit oder zur Teilnahme an Maßnahmen aufzufordern. [3]

Ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag immer in der migrantisch geprägten Dortmunder Nordstadt. Migranten jagen oder Menschen für die Nazi-Szene agitieren. Mehrere Jahre wurde die Kneipe Schützeneck zum Treffpunkt der Dortmunder Rechten. Sie lag nur wenige hundert Meter von Mehmet Kubaşıks Kiosk entfernt. Kubaşık wurde dort 2006 vom NSU ermordet. Im Versteck des NSU-Kerntrios wurde ein Paket mit Munition gefunden, darauf stand »Siggi«. Wie und ob der NSU aus Dortmund unterstützt wurde, konnte bis heute nicht geklärt werden. Fest steht allerdings, dass Borchardt bundesweit vernetzt war. Fest steht auch, dass neben dem Mord an Mehmet Kubaşık vier weitere Nazi-Morde in die Zeit seiner Aktivitäten in Dortmund fallen. [4]

In den Achtzigerjahren hatte Borchardt die sogenannte Borussenfront gegründet, einen Zusammenschluss von Fans von Borussia Dortmund, in dem sich rechtsextreme Hooligans sammelten. Vor allem im Dortmunder Norden war Borchardt unterwegs, dort kam es regelmäßig zu Ausschreitungen, Menschen wurden von Rassisten durch die Straßen gejagt. [5]

Später beteiligte sich Borchardt an der Gründung und Organisation weiterer Neonazi-Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen. Er kandidierte für die rechtsextreme FAP, die 1995 verboten wurde, bei mehreren Wahlen, bis er schließlich bei der Kommunalwahl 2012 einen Sitz im Stadtrat von Dortmund für „Die Rechte“ erlangen konnte. [6]

Die Partei bezeichnet ihn in einem Nachwort als „jahrzehntelangen Kämpfer der nationalen Bewegung“. Er habe viele Kameraden geprägt, die Politik in Dortmund bereichert und sei sich für keine Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu schade gewesen, heißt es bei „Die Rechte“ weiter. Sein Tod sei ein Schock. [7]

Es bleibt abzuwarten, wie die Trauerfeier beziehungsweise Beerdigung abläuft. Möglicherweise sieht die rechtsextreme Szene in Deutschland darin einen Anlass zur Mobilisierung. [8]

Fußnoten:

[1] https://www.wr.de/staedte/dortmund/bekannter-neonazi-ss-siggi-soll-gestorben-sein-id233484415.html

[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ss-siggi-dortmunder-neonazi-siegfried-borchardt-gestorben-17568711.html

[3] https://www.nordstadtblogger.de/die-neonazis-in-dortmund-dorstfeld-verlieren-ihre-bekannteste-galionsfigur-ss-siggi-ist-tot/

[4] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157237.extreme-rechte-nazi-ikone-des-ruhrgebiets-gestorben.html

[5] https://www.spiegel.de/panorama/siegfried-borchardt-dortmunder-neonazi-ss-siggi-ist-tot-a-cbe74ec4-c0ac-4c1f-8395-461b3acb3f9a

[6] https://www.t-online.de/region/dortmund/news/id_90912742/dortmund-bekannter-neonazi-ss-siggi-67-ist-tot.html

[7] https://www.derwesten.de/staedte/dortmund/dortmund-siegfried-borchardt-ss-siggi-die-rechte-rechtsextremismus-id233483935.html

[8] https://www.hna.de/politik/ss-siggi-tot-siegfried-borchardt-stirbt-dortmund-rechtsextrem-nazi-news-tn-91030354.html