AfD-Bundesparteitag in Köln: Immer rechts freundlich

Demonstration von “Aufstehen gegen Rassismus”. Ein Aufschrei gegen die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD). (Foto: U. Stephan, r-mediabase). Quelle: antifa.vvn-bda.de

 

Der Bundesparteitag der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) vergangenes Wochenende hat die Weichen für die Partei gestellt – zumindest bis zu den Bundestagswahlen in weniger als einem halben Jahr. Während das neue Spitzenduo Weidel-Gauland die Partei in den Wahlkampf führen sollen, steht die Vorsitzende Petry weiter im Abseits. Inhaltlich hat die Partei nichts neues zu bieten.

Von Franziska Wilke, Philipp Gutrun-Hahn und Marko Neumann

Parteivize Alexander Gauland und die baden-württembergische Spitzenkandidatin Alice Weidel sollen die AfD in den Bundestagswahlkampf führen. Damit hat die Partei ihre Chefin Frauke Petry ein Stück weit entmachtet. Die Delegierten wählten das Spitzenduo am Sonntag auf einem von Protesten begleiteten Parteitag in Köln. Gauland gilt als Vertreter der nationalkonservativen Kräfte in der Partei. Weidel wird der seit 2015 stark geschrumpften Strömung der Wirtschaftsliberalen zugerechnet. [1]

Für das Spitzenduo stimmten 67,7 Prozent der Delegierten. 28,2 Prozent votierten dagegen. In ihrer Rede nach der Wahl sagte Weidel, über die Spitzenkandidatur sei zuletzt viel gestritten worden. Doch „irgendwann muss auch Schluss sein“. Die AfD solle jetzt vereint in den Wahlkampf ziehen. [2]

Die AfD hat außerdem ihr Wahlprogramm beschlossen, mit dem sie in fünf Monaten erstmals in den Bundestag einziehen will. Die Delegierten des Bundesparteitags in Köln verabschiedeten mit großer Mehrheit das Programm, mit dem sich die Partei im Wahlkampf als politische Kraft rechts von der CDU/CSU positioniert. [3]

In der Familienpolitik will die AfD den „Trend zur Selbstabschaffung“ der Deutschen stoppen, wofür eine „aktive Bevölkerungspolitik“ nötig sei. Gebraucht würden Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenzahl. Weitere Forderungen des Wahlprogramms sind der Euro-Ausstieg, bundesweite Volksentscheide, die Rücknahme der Energiewende und die Abschaffung des Rundfunkbeitrags. [4]

Die AfD setzt auf rigorose Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik, sie will unter anderem eine jährliche Mindestabschiebequote und ist gegen jeglichen Familiennachzug. Kriminelle Migranten sollen ausgebürgert werden. Bekräftigt wird der Anti-Islam-Kurs der Partei mit der Aussage, der Islam „gehört nicht zu Deutschland“. [5]

Das Spitzenduo Weidel-Gauland

Alice Weidel bildet einen Kontrast zum engstirnigen Wutbürger-Klischee, das der AfD anhaftet. Die 38-Jährige studierte mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung Volkswirtschaft und BWL, arbeitete anschließend bei Allianz Global Investors und Goldman Sachs in Frankfurt, bevor sie sechs Jahre beruflich in China verbrachte. [6]

Die Unternehmensberaterin aus Überlingen am Bodensee gilt als Vertreterin des Wirtschaftsflügels und bezeichnet sich selbst als „freiheitlich-konservativ“. Was die antimuslimische Rhetorik angeht, formuliert sie allerdings nicht weniger scharf als andere Führungsmitglieder in der AfD. Sie empfehle „jedem Erdogan-Befürworter, wieder in die Türkei zurückzukehren, genau in das Wertesystem, wo diese Leute hingehören“, rief sie in Köln und brachte den Saal zum Jubeln. Mit Bekenntnissen gegen die „politische Korrektheit, die auf den Müllhaufen der Geschichte“ gehöre, traf sie die Stimmungslage der rund 560 Delegierten. [7]

Weidel positionierte sich auch in Bezug auf den umstrittenen AfD-Rechtsaußen Björn Höcke: Sie werde gemeinsam mit dem thüringischen Fraktionschef, gegen den derzeit ein Parteiausschlussverfahren läuft, im Wahlkampf in Thüringen auftreten, sagte Weidel am Sonntag vor Journalisten. [8]

Wie der Öffentlichkeit erst durch eine „Maischberger“-Sendung bekannt wurde, lebt Weidel mit einer Frau zusammen und zieht zwei Söhne auf. Gegen homofeindliche Positionen ihrer Partei hatte sie sich bislang nicht spürbar öffentlich positioniert. Das in Köln beschlossene Wahlprogramm bezeichnete sie als „exzellent“. [9]

Alexander Gauland war bei der Frage nach Spitzenkandidaten oder einem Spitzenteam gesetzt. Gauland genießt in der Partei trotz umstrittener Äußerungen hohes Ansehen und ist einer der einflussreichsten Köpfe der Partei. Gauland war lange Jahre CDU-Mitglied, Staatssekretär in Hessen, Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ und war lange selbst als Publizist tätig. Gauland hatte die AfD gemeinsam mit dem ausgetretenen Ex-Parteichef Lucke gegründet. [10]

Gaulands Stärke ist offensichtlich – seine Schwächen sind es aber auch. Er ist kein Wahlkämpfer, der auf Märkten und Bühnen die Massen begeistern könnte. Diese Fähigkeit hat auch bei diesem Parteitag nur Jörg Meuthen gezeigt. Er pflegt noch immer sein Image vom bürgerlichen Wirtschaftswissenschaftlers – doch er kann auch den Schalter umlegen, spielt dann ohne Scheu auf der Klaviatur, die in der AfD den richtigen Ton trifft: Deutschland am Abgrund und ähnliche Katastrophen-Szenarien, kraftvolle Attacken gegen „links-rot-grün-versiffte 68er“. [11]

Frauke Petry: Die Vorsitzende auf dem Abstellgleis

Dem Parteitag war ein monatelanger Machtkampf vorausgegangen. Zum Auftakt des Kongresses warb Petry eindringlich dafür, dass sich die AfD auf einen „realpolitischen Kurs“ und das Ziel des Mitregierens festlegen sollte. Es gehe darum, breite Schichten der Bevölkerung zu erobern, die bisher durch das negative Außenbild der Partei abgeschreckt würden. Dass die Delegierten ihr dabei nicht folgten, nannte Petry einen „Fehler“. [12]

Die Krönung von Gauland und Weidel in Köln ist der vorläufige Abschluss eines chaotischen Parteitages, bei dem die AfD erneut nach rechts gerückt ist. Die Partei hat sich gegen den bürgerlichen Kurs entschieden, den Parteichefin Frauke Petry durchsetzen wollte. Dagegen, sich explizit von rassistischen, antisemitischen, und völkischen Ideologien abzugrenzen. Innerhalb weniger Stunden beschädigte die Partei ihre Chefin am Samstag so stark, dass nicht wenige es für möglich hielten, sie werde zurücktreten. [13]

Noch vor zwei Jahren, als es darum ging, den bürgerlichen AfD-Gründer Bernd Lucke zu stürzen, hatte Petry keinerlei Skrupel, sich des ultrarechten Flügels zu bedienen, und sie machte Leuten vom Schlage Björn Höckes auch noch Avancen, als sie eine Neudefinition des Begriff „völkisch“ forcierte. Dass sie nun die AfD zu einer „bürgerlichen Volkspartei“ machen wollte, ist deshalb nicht glaubwürdig, der Prozess hätte, wäre er denn überhaupt gewollt, viel früher eingeleitet werden müssen. [14]

Gespielte Einigkeit vor den Bundestagswahlen – Was kommt danach?

Im vierten Jahr ihres Bestehens ist die AfD auf verschiedenen politischen Ebenen bereits etabliert. Das heißt, das Engagement ist kein Spaß mehr. Schon jetzt geht es auch um Posten, Geld und berufliche Reputation. Dutzende Männer und Frauen sitzen bereits in Parlamenten. Die AfD hat einen selbstbewussten Mittelbau entwickelt. [15]

In der AfD ist Einigkeit deshalb nicht nur eine taktische Notwendigkeit vor Wahlen. Einigkeit ist der kategorische Imperativ dieser sich ständig radikalisierenden Partei, deren Mehrheit jeden lauten internen Widerspruch als Verrat an ihrer historischen Mission deutet. [16]

Vom Parteitag in Köln bleibt das Bild einer Partei, die ihrer Chefin nicht mehr traut. Und eine Vorsitzende, die als Konsequenz daraus im Wahljahr verkündet, sie müsse in den kommenden Monaten ihre Partei intensiv beobachten, um herauszufinden, ob der politische Kurs, den die Partei einschlage, überhaupt noch der richtige sei. Und die dann erklärt, man wisse ja, was es besonders in den vergangenen zwei Jahren für Konflikte gegeben habe – und wieso. Gemeint ist damit auch der ewige Konflikt um die mangelhafte Abgrenzung nach Rechts, mit der sich die AfD immer wieder herumschlagen muss. Und die – das muss man eben auch sagen – Petry selbst immer nur dann gefordert hat, wenn es ihr im parteiinternen Machtkampf genützt hat. [17]

Fußnoten:

[1] http://taz.de/Spitzenduo-fuer-die-Bundestagswahl/!5403241/

[2] http://taz.de/Spitzenduo-fuer-die-Bundestagswahl/!5403241/

[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-mit-spitzenduo-alexander-gauland-und-alice-weidel-in-den-wahlkampf-a-1144442.html

[4] https://www.tagesschau.de/kommentar/afd-parteitag-petry-weidel-101.html

[5] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-mit-spitzenduo-alexander-gauland-und-alice-weidel-in-den-wahlkampf-a-1144442.html

[6] http://www.n-tv.de/politik/AfD-geht-mit-Spitzen-Duo-in-Wahlkampf-article19805246.html

[7] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-parteitag-in-koeln-jubel-fuer-alice-weidel-mitleid-fuer-frauke-petry-a-1144459.html

[8] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-parteitag-in-koeln-jubel-fuer-alice-weidel-mitleid-fuer-frauke-petry-a-1144459.html

[9] http://www.queer.de/detail.php?article_id=28696

[10] http://www.n-tv.de/politik/AfD-geht-mit-Spitzen-Duo-in-Wahlkampf-article19805246.html [11] https://www.tagesschau.de/inland/afd-gauland-weidel-103.html

[12] http://www.faz.net/aktuell/afd-in-nrw-will-kurs-der-bundespartei-nicht-folgen-14984507.html [13] http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/afd-spitzenkandidatin-alice-weidel-die-neue-rechte/19706048.html

[14] http://www.fr.de/politik/frauke-petry-beim-afd-parteitag-abserviert-a-1265365

[15] http://www.dw.com/de/kommentar-afd-ein-bisschen-frieden/a-38549285

[16] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/afd-parteitag-koeln-frauke-petry-bundestagswahlkampf

[17] http://www.deutschlandradiokultur.de/kommentar-zum-afd-parteitag-in-koeln-niederlage-fuer-frauke.2165.de.html?dram:article_id=384425