Berliner Polizist verschickte Drohbriefe an vermeintliche „Linksextremisten“

Während in Hessen ein rechtsextremes Netzwerk aufgedeckt wird, gibt in Berlin ein Polizist zu, Drohbriefe an vermeintliche "Linksextremisten" verschickt zu haben. Die Aufklärung des NSU-Komplexes durch die Sicherheitsbehörden lässt derweil in großen Teilen noch auf sich warten.

Während in Hessen ein rechtsextremes Netzwerk in der Polizei aufgedeckt wird, gehen die Skandale bei den Sicherheitsbehörden an anderer Stelle weiter: in Berlin gab ein Polizist gab zu, 2017 Drohbriefe an vermeintlich linke Aktivist*innen verschickt zu haben. Dazu benutzte er Daten der hiesigen Polizeibehörde.

Von Franziska Wilke und Janin Krude

Der Verdacht hatte schnell im Raum gestanden, nun hat er sich offenbar bestätigt: Laut Recherchen des ARD-Magazins Kontraste hat ein Berliner Polizist gestanden, im Dezember 2017 Drohbriefe an vermeintliche Angehörige der linken Szene der Stadt versandt zu haben. [1] Ein Beamter der Berliner Polizei hat nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste zugegeben, sich aus einer polizeilichen Datenbank persönliche Daten, darunter Wohnadressen und teilweise auch Fotos von insgesamt 21 Personen besorgt zu haben und diese Daten in zwei Drohbriefen weiterverbreitet zu haben. [2]

In dem Briefen hieß es: „Eure Gesichter, Namen, Adressen, Fahrzeuge, Eltern, Geschwister sind sehr lange schon bekannt.“ Der Verfasser hatte gedroht, die Daten – Wohnanschriften und Fotos – unter anderem an Rechtsextreme weiterzuleiten, „an die Identitären“, an Autonome Nationalisten „oder die Bullen oder wen auch immer“. [3]

Die Empfänger der Drohbriefe des Polizisten gehören aber zumindest teilweise gar nicht der linksradikalen Szene an, wie Recherchen der Wochenzeitung Die Zeit ergeben hatten. So seien unter den Betroffenen auch Journalisten, ein SPD-Mitglied, ein Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten und ein Mann gewesen, der Jahre zuvor einmal eine Beziehung mit einer Bewohnerin des besetzten Hauses in der Rigaer Straße 94 in Berlin gehabt hatte. [4]

Der Verdacht, dass der Autor der Briefe selbst Polizist sei, kam auf, weil ihnen laut Indymedia Fotos von 18 Personen beigefügt wurden, die aus erkennungsdienstlichen Behandlungen des Berliner Landeskriminalamts (LKA) oder aus Personalausweisen stammten. [5]

Der Beamte hat den Informationen zufolge einen Strafbefehl über 3500 Euro akzeptiert – wegen Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetz, nicht wegen der Drohungen. Die Berliner Polizei wollte den Fall auf Anfrage von t-online.de nicht kommentieren. Das sei Sache der Justiz. Zu einzelnen Personalien äußere man sich nicht, sagte eine Sprecherin. [6]

Ob gegen den Beamten auch disziplinarrechtlich ermittelt wird und wo er eingesetzt wird, ist momentan nicht bekannt. Der Polizist gilt, nachdem er den Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetz akzeptiert hat, nicht als vorbestraft, wie die Sprecherin der Berliner Kriminalgerichte gegenüber Kontraste bestätigte. [7]

Vorbestraft wäre er nur bei einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Angesichts der verhängten Geldstrafe und der sich am Nettogehalt bemessenen Tagessätze dürfte es sich um einen Beamten im mittleren Dienst handeln. Von 2014 bis zum ersten Halbjahr 2018 sind 54 Disziplinarverfahren gegen Berliner Polizisten wegen Verstößen gegen das Datenschutzgesetz eingeleitet worden. [8]

In den vergangenen Wochen und Monaten waren immer wieder Straftaten aufgedeckt worden, an den Polizisten beteiligt waren. So wurde zuletzt am 12. Dezember ein Polizist am Saatwinkler Damm in Tegel festgenommen, der Dienstgeheimnisse an eine Bande von Autoschiebern weitergegeben haben soll. Im September wurde ein Beamter angeklagt, der vor Razzien im Drogenmilieu 44.000 Euro von Dealern kassiert hatte. [9]

Fußnoten:

[1] http://taz.de/Drohbriefe-an-die-linke-Szene-Berlins/!5561710/

[2] https://www.tagesschau.de/inland/drohbriefe-poplizei-101.html

[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/rigaer-strasse-in-berlin-polizist-schickte-drohbriefe-an-die-linke-szene/23791926.html

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108624.rechte-polizisten-berliner-polizist-verschickte-drohbriefe-an-linke.html

[5] http://taz.de/Drohbriefe-an-die-linke-Szene-Berlins/!5561710/

[6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_84985996/berlin-polizist-soll-drohbriefe-an-linke-geschickt-haben.html

[7] https://www.zeit.de/politik/2018-12/berliner-polizist-drohbriefe-linksextreme-szene-gestaendnis

[8] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/rigaer-strasse-in-berlin-polizist-schickte-drohbriefe-an-die-linke-szene/23791926.html

[9] https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/haftbefehl-berliner-polizist-soll-frau-vergewaltigt-und-verpruegelt-haben-31780092