Rechtsextremes Netzwerk bei der Polizei Hessen?

Die deutsche Polizei: Kein*e Freund*in und Helfer*in?

In einer WhatsApp-Gruppe schickten sich Polizeibeamt*innen gegenseitig Hitler-Bilder und Hakenkreuze. Der selbe Personenkreis steht nun im Verdacht, Drohbriefe u.a. an Nebenkläger*innen im NSU-Prozess verschickt zu haben, die mit dem Kürzel NSU2.0 unterschrieben wurden. Gibt es ein rechtsextremes Netzwerk in den hessischen Polizeibehörden?

Von Franziska Wilke und Janin Krude

Eine Beamtin des 1. Reviers in der Frankfurter Innenstadt hatte über ihren Dienstcomputer das Melderegister zu Basay-Yildiz abgefragt – offenbar ohne dienstlichen Anlass. Besagte Polizistin soll mit vier weiteren Kollegen bei WhatsApp eine gemeinsame Chatgruppe gehabt haben. Darin teilten die fünf Beamten Hitlerbilder, Hakenkreuz und rassistische Parolen. [1]

Die Ermittlungen gegen die Beamten wurden durch einen Drohbrief ausgelöst, den die Anwältin Seda Başay-Yıldız Anfang August per Fax erhalten hatte. Die Vertreterin der NSU-Nebenklage wurde als „Türkensau“ beschimpft, man drohte unter anderem damit, ihre zweijährige Tochter zu „schlachten“. Unterzeichnet war das Schreiben mit „NSU 2.0“. [2]

In dem Fax hieß es: „Miese Türkensau! Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein! Als Vergeltung schlachten wir deine Tochter.“ Das Schreiben enthielt außerdem den vollen Namen der zweijährigen Tochter und die genaue Wohnadresse der Familie. [3]

Hausdurchsuchungen wurde gemacht, Handys und Festplatten beschlagnahmt. Auf den Handys fand sich ein Gruppenchat, in dem die Beamten (vier Männer und eine Frau) Texte, Bilder und Videos mit fremdenfeindlichem Inhalt ausgetauscht hatten. [4]

Am Wochenende nun wurde bekannt: Die Ermittlungen gegen die fünf Frankfurter Polizisten stehen möglicherweise auch im Zusammenhang mit dem Münchner NSU-Prozess. Das legen Recherchen der Tageszeitung „Frankfurter Neue Presse“ nahe. [5]

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe seien sie ihrer Dienstgeschäfte enthoben worden. Einem damaligen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge waren die Aktivitäten der Beamten durch Zufall aufgefallen. Mitarbeiter des Staatsschutzes seien bei Ermittlungen gegen Rechtsextremisten auf ihre eigenen Kollegen gestoßen. [6]

Die Ermittler prüfen nun, ob weitere Beamte zu dem rechtsextremen Netzwerk in der Frankfurter Polizei gehören. Frankfurts Polizeipräsident Gerhard Bereswill kündigt einen „harten Kurs“ gegen Beamte  seiner Behörde an, die nicht auf dem Boden der Verfassung stünden. Die Polizei brauche das uneingeschränkte Vertrauen der Bevölkerung, so Bereswill. Auch Ernst Walter, der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, spricht von einem „wirklich schlimmen Fall“. [7]

Auch Büros im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf seien durchsucht worden, berichtet die „FAZ“. Offenbar bestehe ein Zusammenhang mit der Ermittlung gegen einen Beamten, der dem Frankfurter Netzwerk angehört haben soll. Es gebe noch weitere Verdachtsfälle, die zunächst polizeiintern geprüft würden. [8]

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bezeichnete die Ermittlungen gegen die Frankfurter Polizisten, die in einem Internetchat rechtsextreme Inhalte ausgetauscht haben sollen, als „sehr ernste Geschichte“. „Ich kann noch nicht übersehen, wie weit das geht. Aber es ist kein Zweifel, dass uns das sehr, sehr ernst angeht“, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende in Berlin. [9]

Politiker, Anwälte und zivilgesellschaftliche Organisationen zeigten sich angesichts der neuen Enthüllungen derweil besorgt. Justizministerin Katarina Barley (SPD) forderte am Montag eine umfassende Aufklärung. „Der im Raum stehende Verdacht, es könnte hier rechtsradikale Strukturen geben, ist erschreckend“, so die Politikerin. „Rechtsextremes Gedankengut hat keinen Platz in der Polizei.“ Die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag und stellvertretende Parteivorsitzende Martina Renner warnte: „Das ist der nächste Fall von extrem rechten Netzwerken im Staatsdienst und wohl nur die Spitze des Eisberges. „Die Sicherheitsbehörden hätten ein „ernsthaftes Problem“ in den eigenen Reihen. „Am Ende steht die Frage, wer eigentlich die Menschen vor Neonazis und Rassisten bei der Polizei schützt“, sagte die Abgeordnete. [10]

Die Grünen fordern nun, dass auf Bundes- und Länderebene unabhängige Polizeibeauftragte eingesetzt werden. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, jeder Polizeibeamte solle bei solchen Beauftragten „frühzeitig und auf Wunsch auch anonym Hinweise auf solche Entwicklungen geben“ können. [11]

Die Polizei ermittelt im Zusammenhang mit der Serie von Brandanschlägen auf linke und autonome Kultur- und Wohnprojekteim Rhein-Main-Gebiet. Die ErmittlerInnen sollten sich nicht darüber wundern, wenn die AktivistInnen der autonomen Szene es ablehnen, mit dieser Polizei zu kooperieren. [12]

Fußnoten:

[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremes-netzwerk-ermittlungen-in-frankfurter-polizei-ausgeweitet/23769326.html

[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108261.rechtes-netzwerk-bei-der-polizei-wohl-nur-die-spitze-des-eisbergs.html

[3] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-12/rechtsextremismus-frankfurter-polizei-verdacht-ermittlungen?wt_zmc=sm.ext.zonaudev.facebook.ref.zeitde.share.link.x&utm_medium=sm&utm_source=facebook_zonaudev_ext&utm_campaign=ref&utm_content=zeitde_share_link_x&fbclid=IwAR33sZFSqsnlKG3oBRknBJ4PlhkXqY2yjfgqBcYM-7ZWagM0Ozh_zVDVvAs

[4] https://www.watson.de/deutschland/hessen/450112963-gibt-es-in-der-frankfurter-polizei-ein-rechtsextremes-netzwerk-3-fragen

[5] https://www.deutschlandfunk.de/hessen-rechtsextremes-netzwerk-in-der-frankfurter-polizei.1773.de.html?dram:article_id=436105

[6] https://www.fnp.de/hessen/bouffier-gewerkschaft-seehofer-besorgt-ueber-nazi-chat-frankfurter-polizei-10884979.html

[7] https://www.deutschlandfunk.de/hessen-rechtsextremes-netzwerk-in-der-frankfurter-polizei.1773.de.html?dram:article_id=436105

[8] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/frankfurt-lka-ermittelt-offenbar-in-weiteren-polizeidienststellen-a-1244257.html

[9] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/frankfurt-ermittlungen-gegen-rechtsextreme-zelle-in-polizei-volker-bouffier-a-1244203.html

[10] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108261.rechtes-netzwerk-bei-der-polizei-wohl-nur-die-spitze-des-eisbergs.html

[11] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/frankfurt-lka-ermittelt-offenbar-in-weiteren-polizeidienststellen-a-1244257.html

[12] http://www.taz.de/Rechte-Polizisten-Gang-in-Frankfurt/!5556770/