Interview mit der Initiative „Revoltes – Kein Identitärer Rückzugsort in Greifswald“

Die neurechte Identitäre „Bewegung“ macht sich in Mecklenburg-Vorpommern immer breiter. In Greifswald hat sich nun eine Initiative gegründet, die gegen über die Rechtsextremist*innen aufklären wollen. Wir haben mit Clemens von „Revoltes – Kein Identitärer Rückzugsort in Greifswald“ gesprochen.

Die IB ist seit längerer Zeit auch in Greifswald aktiv. Gibt es einen konkreten Anlass, wieso ihr die Initiative jetzt gestartet habt?

Clemens: Als Universitätsstadt ist Greifswald ein typisches Umfeld für Aktivitäten der Identitären Bewegung, die vor allem junge Menschen ansprechen will. Zudem sind die meisten IB-Mitglieder in Deutschland selbst im universitärem Umfeld zu finden. Es verwundert also nicht, dass die IB auch hier seit einiger Zeit ihr Unwesen treibt. So setzten vor einem Jahr zum Höhepunkt der damaligen „Arndt-Debatte“ mehrere Identitäre einen großen Findling öffentlichkeitswirksam vor das Hauptgebäude der Universität. Auch danach trat die IB hier immer wieder in Erscheinung. Der Aufschrei in der Bevölkerung blieb jedoch zum größten Teil aus. Auch nachdem eine IB-Aktivistin in den Senat der Universität Greifswald gewählt wurde und mehrere IB-Mitglieder durch unbekannte Aktivist*innen an der Uni geoutet wurden, gab es außerhalb des universitären Umfelds so gut wie keine Reaktionen. Diese stille Akzeptanz ist der Grund, warum wir uns entschlossen haben unsere Initiative zu starten.

Die IB ist bekannt dafür, ihre Propaganda im Internet bestmöglich auszuschlachten. Wie groß ist das Netzwerk der Nazi-Hipster tatsächlich?

Clemens: Der Verfassungsschutz schätzt in seinem aktuellen Bericht, dass die Identitäre Bewegung bundesweit etwa nur 500 aktive Mitglieder besitzt. 20 davon sind vorwiegend in MV tätig, wobei diese aber mit zum führenden Teil der rechtsextremen Bewegung gehören. Bei der IB handelt es sich folglich eher um einen Scheinriesen, als eine wirkliche Bewegung. Allerdings darf man nicht unterschätzen, dass die IB viel mehr die Ausweitung ihrer Sympathisantenszene im Auge hat, als wirklich neue aktive Mitglieder zu akquirieren. Die immer größer werdende Sympathisantenanzahl ist das eigentliche Problem, zeigt sie doch, dass die IB mit ihren modern verpackten rechtsextremen Ideen Anklang zu finden scheint.

Gibt es auch Verbindungen zwischen der Pro-Arndt Initiative und der IB?

Clemens: Schon bei den ersten Veranstaltungen der Pro-Arndt Initiative in Greifswald taten sich Mitglieder und Unterstützer der IB hervor. So organisierte Delphine Thiermann, welche zu den bekanntesten IB-Unterstützern in Norddeutschland zählt, eine der ersten Arndt-Mahnwachen. [1] Auch Stephan Reuken, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die AfD im Schweriner Landtag sitzt und schon häufig auf IB-Veranstaltungen zu sehen war, beteiligte sich als Redner an den Arndt-Mahnwachen. [2] In diesem Jahr waren bei der der Arndt-Veranstaltung zum 1. Mai nicht nur bekannte lokale Neonazis und Burschenschaftler dabei, sondern auch aktive IB-Mitglieder wie Franziska Gerbe, welche zur Zeit im Senat der Universität als studentische Senatorin sitzt.

Arndt-Debatte hat gezeigt: in Greifswald gibt es ein relativ großes Potenzial für rechte Ideologien. Wie schätzt ihr die allgemeine Situation in Greifswald ein?

Clemens: Greifswald ist wie der gesamte Rest Deutschlands vom Rechtsruck der letzten Jahre nicht verschont geblieben. Da die Stadt wie der Rest von MV allerdings nur geringe Aussichten auf eine sichere berufliche Zukunft bietet, hält es nur wenig junge Leute wirklich hier. Die Sorge und Verbitterung vieler älterer Menschen deswegen, denen es ja nicht anders geht, ist daher auch verständlich. Allerdings werden viele dadurch auch empfänglich für rechte Ideen und Ideologien, die scheinbar einfache Lösungen auf komplexe Probleme zu haben scheinen. Dass das jedoch ein Trugschluss ist, hat sich in der Geschichte schon oft genug gezeigt. Eindrucksvoll zeigte sich das rechte Potential in der Bevölkerung mit der Bildung des Greifswalder Pegida-Ablegers „FFDG“. Nachdem sich dieser, auch dank der starken Gegenproteste aus der Zivilgesellschaft, totgelaufen hatte, scheint nun die Diskussion um den Namenspatron der Universität ein neues Sammelbecken für rechte Seelenfänger zu werden.

Landesweit bekannt ist der AfD-Politiker Ralph Weber aus Greifswald. In Wie fern arbeitet die IB mit der „Alternative für Deutschland“ zusammen?

Clemens: Die Verbindungen der Identitären Bewegung mit der AfD werden immer deutlicher, auch wenn beide Seiten immer wieder betonen, nichts miteinander zu tun zu haben. Der Politiker Ralph Weber ist da keine Ausnahme. Ende letzten Jahres forderte er offen den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der IB wieder abzuschaffen. [3] Zudem war er bei den letzten AfD-Demonstrationen in Rostock immer wieder mit aktiven IB-Mitgliedern gesehen worden. Doch auch in Greifswald selbst treten die Identitären immer wieder offen auf AfD-Veranstaltungen auf. So waren bei einer „Friedens“-Mahnwache der rechtsoffenen Partei nicht nur Franziska Gerbe, sondern auch IB-Aktivisten wie Daniel M. und Eike L. unter den Beteiligten.

Bei der Wahl des neuen Senats an der Universität Greifswald kandidierte auch die IB Aktivistin Franziska G. Wieso gab es keinen Aufschrei bei der Aufstellung, als sie für den Senat kandidiert hat?

Clemens: Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass auf der Pro-Arndt Liste für die Senatswahlen einzelne Vertreter der rechtsextremen Burschenschaft Rugia kandidieren würden. Franziska Gerbe war zum Zeitpunkt ihrer Aufstellung für viele allerdings noch ein unbeschriebenes Blatt. Erst als sie kurz darauf auf einigen Bilder der IB-MV erkannt wurde und die restlichen studentischen Senator*innen sie mit diesen Erkenntnissen konfrontierten, gestand sie ihre Mitgliedschaft bei der IB. Weitaus erschreckender finden wir jedoch, dass auf diese Erkenntnis so gute wie keine weiteren Reaktionen erfolgten, nicht mal von Seiten der Studierendenschaft.

Wie geht ihr in Zukunft mit Franziska G. um und gibt es weitere IB Mitglieder die Einfluss auf die Uni Greifswald haben?

Clemens: Gerbe ist bisher als einziges IB-Mitglied offen an der Uni in Erscheinung getreten. Neben ihr gibt es jedoch mindestens vier weitere Personen, die der IB und deren Umfeld zuzuordnen sind. Darunter soll unseren Quellen nach zum Beispiel der Politik- und Kommunikationsstudent Christian A. sein, welcher regelmäßig auch bundesweit bei IB Aktionen dabei ist. Es ist also nicht auszuschließen, dass neben Gerbe noch andere Identitäre versuchen werden an der Uni Fuß zu fassen. Wir werden die öffentlichen Aktivitäten von Franziska Gerbe und den anderen IB Mitgliedern an der Uni und in der Stadt deswegen genau verfolgen. Der Identitären Bewegung soll Bewusst sein, dass Greifswald kein geheimer Rückzugsort für sie ist.

Wie fällt die IB in Greifswald besonders auf und gab es Aktionen der IB, die besondere Aufmerksamkeit bekamen?

Clemens: Neben der bereits erwähnten „Findlingsaktion“ zum Beginn des letzten Jahres, bei der IB-Aktivisten eine Plakette für den umstrittenen früheren Namenspatron der Uni anbrachten, fallen die Identitären regelmäßig durch entsprechende Sticker im Stadtbild auf. Auch durch Aktionen, wie etwa der Verteilung von Pfefferspray und Infomaterial, oder der Anbringung von Bannern versuchen die Rechtsextremen sich immer wieder in das öffentliche Bewusstsein zu drängen. Allerdings wollen wir dabei nicht unerwähnt lassen, dass die letzte versuchte Banneraktion für die meisten IBler auf dem Polizeirevier und mit einer Anklage wegen Hausfriedensbruch endete. [4]

Auf eurer Facebook Seite revolteshgw stellt ihr regelmäßig Beiträge über die IB ein. Innerhalb weniger Tage habt ihr hunderte Likes bekommen. Was schätzt ihr ein, woher kommt dieser Zuspruch?

Clemens: Zum einen erhalten wir natürlich Unterstützung durch unsere Freunde und Bekannte. Gerade in den ersten Tagen hat dies uns enorm geholfen. Auf der anderen Seite erhalten wir aber auch bereits bundesweit Zuspruch, was uns zeigt, dass viele Menschen mit der IB und ihrer Ideologie nicht einverstanden sind. Dieser Rückhalt gibt uns die Kraft, unsere noch recht junge Initiative weiter voranzutreiben. Gemeinsam mit anderen tollen Initiativen und Gruppierungen, wie etwa „Résistance“ aus Rostock oder „Kick them out“ aus Halle, wollen wir klar machen, dass es für die Identitäre Bewegung keinen geheimen Rückzugsort geben wird. Nicht in Greifswald und auch nicht anderswo.

Vielen Dank für deine Zeit.

Die Fragen stellten Laura Goldstein und Julian Feller.

Quellen- und Fußnoten:

[1] http://www.ostsee-zeitung.de/Vorpommern/Greifswald/Arndt-Mahnwache-mit-AfD-Prominenz

[2] http://resistancehro.org/2017/02/10/uni-streit-afd-und-identitaere-verbruedern-sich/

[3] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/AfD-Zusammenarbeit-mit-Identitaerer-Bewegung,afd1354.html

[4] https://blog.17vier.de/2018/01/11/identitaere-arndt-befuerworter/