Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen: Gründe für den rechtsradikalen Erfolg

Die Landtagswahlen vergangenen Sonntag zeigen deutlich: die rechtsradikale „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat ihren viel beschworenen Zenit noch längst nicht erreicht. Zwar konnte die AfD in keinem Bundesland stärkste Kraft werden, doch die politische Landschaft hat sich seitdem erneut nach Rechts verschoben. Was sind die Gründe des Erfolgs der AfD und wie geht es in den kommenden Jahren weiter?

Von Franziska Wilke, Janin Krude und Marko Neumann

Trotz großer Zugewinne hat es die AfD nicht geschafft, in Brandenburg oder in Sachsen stärkste Kraft zu werden. In beiden Fällen setzte sich die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten durch, einmal die SPD und einmal die CDU. Trotzdem mussten beide Gewinner im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren klare Verluste hinnehmen, erreichten gar historisch schlechte Werte – während die AfD deutlich zulegte. [1]

Gründe für die Erfolge der AfD

Eine einfache Erklärung über die Motive der Wähler gibt es nicht, dazu sind es zu viele und zu unterschiedliche Wähler. Aber es gibt Auffälligkeiten. Die AfD wurde nicht überproportional von Rentnern oder Jugendlichen gewählt, sondern von den mittleren Altersgruppen und dann besonders von Männern. [2]

Ein Grund für den Zugewinn der Rechtspopulisten: Die AfD hat so stark wie keine andere Partei von der gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert. Rund 40 Prozent der AfD-Wähler waren vor fünf Jahren noch zu Hause geblieben. [3]

Das demokratische Mantra, dass man die Nichtwähler mobilisieren müsse, damit die politische Mitte gestärkt werde, sollte ausgehend von diesen Erkenntnissen in Frage gestellt werden. Es hatte sich schon bei früheren Wahlen abgezeichnet, dass die AfD von der Gruppe der aktivierten Nichtwähler überproportional profitiert. [4]

In Sachsen ist die AfD in der Fläche seit Jahren sehr präsent – und sie blieb im Tonfall gemäßigter als andere Landesverbände. Zudem gibt es in der Parteiführung viele, die im Osten geboren wurden. In Ostdeutschland, wo sich manche als Bürger zweiter Klasse fühlen, weil manche Löhne und die Rentenwerte niedriger als im Westen sind, kommt das gut an. [5]

Alexander Kritikos, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, schrieb in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“: „Die Politik muss sich sehr schnell viel mehr Gedanken machen, wie sie zumindest die Voraussetzungen zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse schaffen kann, wenn sie die Wählerschaft von dieser rechtspopulistischen Partei zurückgewinnen will“. [6]

Wir erleben eine Verfestigung der Wähler*innenschaft der AfD. So geben 70 % der Befragten in Sachsen an, die AfD nicht aus Protest, sondern wegen ihrer Programmatik zu wählen,“ erklärt Irmgard Wurdack, Geschäftsführerin des bundesweiten Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus. Irmgard Wurdack weiter: „Gleichzeitig bedanken wir uns bei den vielen Menschen in beiden Bundesländern, die mit ihren zahlreichen Protesten gegen Veranstaltungen der AfD und bei #unteilbar in Dresden dazu beigetragen haben, dass die AfD keine Chance auf Regierungsbeteiligung hat. Das ist ein wichtiger Erfolg. Wir dürfen nicht nachlassen und laden alle ein, sich an weiteren Protestaktionen zu beteiligen.“ [7]

Wie wird es weitergehen?

„Täter fühlen sich durch den aktuellen Rechtsruck gestärkt“, sagte Judith Porath, Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive Brandenburg, am Dienstag in Leipzig. Rassistisch motivierte Gewalttaten würden mittlerweile „als beiläufig oder Normalität wahrgenommen“. [8]

In der vergangenen Zeit seien Täter immer selbstbewusster aufgetreten, demonstrierten eine „Lust an Gewalt“, berichtete Porath. „Es gibt eine Radikalisierung in der Mitte der Gesellschaft“, sagte Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. „In Ostdeutschland ist die Situation besonders brenzlig.“ Quent beobachtet eine „taktische Zivilisierung“ von rechten Akteuren, etwa der rechtsextremen Identitären Bewegung. Die Opferberatungsstellen zählten im Vorjahr 1212 rechte, rassistische und antisemitische Angriffe in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin, das seien 8 Prozent mehr als 2017. 1789 Menschen waren demnach 2018 direkt von den Taten betroffen. [9]

Die Entwicklung vom vergangenen Sonntag ist keine spontane Erscheinung, sondern Ausdruck von massiven Demokratiedefiziten, die sich über dreißig Jahre hinweg aufgebaut haben. Insofern gibt es hier auch keine kurzfristigen Antworten, sondern es bedarf einer klaren Strategie zur Stärkung der sächsischen Demokratie, um das Problem mittel- bis langfristig bearbeiten zu können. [10]

Die Landtagswahlen in Sachsen lassen die Etablierung der AfD also weiter voranschreiten, ohne schon die Frage nach deren Regierungsbeteiligung virulent werden zu lassen. Die beiden ehemaligen Volksparteien verlieren weiter an Zustimmung, können sich aber mithilfe eines dritten Partners an der Regierung halten – einen Lieber-gar-nicht-regieren-als-falsch-Rückzug könnte sich die FDP aktuell kaum erlauben können. Neuwahlen aber wird es wohl kaum geben: CDU und SPD sind stark mit sich selbst beschäftigt und laborieren an heftiger Unsicherheit, mit welchem Spitzenpersonal sie in die Zukunft gehen sollen. [11]

Aus den Grünen wird indessen doch nicht über Nacht die Kraft, die das Land im Angesicht des Sterbens der Volksparteien vor dem Rechtsruck rettet, sie erstarken aber durchaus, gerade als gesellschaftlicher Gegenpol jetzt auch in Ostdeutschland. Spannend wird sein, wie sich ihre absehbaren Regierungsbeteiligungen auswirken; das Beispiel der seit zehn Jahren mitregierenden Brandenburger Linken verheißt: es könnte schwierig werden. [12]

Insgesamt haben die Landtagswahlen fast 30 Jahre nach der Einheit zu starken politischen Verschiebungen in Ostdeutschland geführt. Große Verlierer sind CDU, SPD und Linke, großer Gewinner ist die AfD. Bei der Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober könnte sich dieser Trend fortsetzen. 2014 erzielte die Linke dort ihr historisch bestes Ergebnis mit 28,2 Prozent, seither regiert Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE) mit SPD und Grünen. [13]

Fußnoten:

[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/landtagswahlen-in-sachsen-und-brandenburg-afd-mobilisiert-nichtwaehler-a-1284760.html

[2] https://www.dw.com/de/wer-w%C3%A4hlt-die-afd-und-warum/a-50259900

[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/landtagswahlen-in-sachsen-und-brandenburg-afd-mobilisiert-nichtwaehler-a-1284760.html

[4] https://netzpolitik.org/2019/wahlen-in-brandenburg-und-sachsen-diese-grafiken-und-karten-visualisieren-den-rechtsruck/#spendenleiste

[5] https://www.dw.com/de/wer-w%C3%A4hlt-die-afd-und-warum/a-50259900

[6] https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article226974377/Nach-Ost-Landtagswahlen-Rufe-nach-Zugehen-auf-AfD-Waehler.html

[7] https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/aktuelles/nach-den-wahlen-in-sachsen-und-brandenburg/?fbclid=IwAR2ujBDYSnESNtkBzc-RJY6XK96n-NSYlbrwu3_ekGCXzNXkbo5FIgcx2FU

[8] https://www.n-tv.de/ticker/Beratungsstellen-warnen-vor-Anstieg-rechter-Gewalttaten-article21249117.html

[9] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1125250.rassismus-rechte-gewalt-koennte-nach-landtagswahlen-steigen.html

[10] https://www.belltower.news/landtagwahl-in-sachsen-was-das-ergebnis-mit-der-politischen-landschaft-macht-90763/

[11] https://www.freitag.de/autoren/sebastianpuschner/doch-nicht-si-heiss-gegessen

[12] https://www.freitag.de/autoren/sebastianpuschner/doch-nicht-si-heiss-gegessen

[13] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/trotz-afd-rekorden-cdu-gewinnt-in-sachsen-spd-in-brandenburg-vorn/