Nach rassistischem Angriff in Wismar: Erster Tatverdächtiger vorläufig festgenommen

Der brutale Angriff dreier Männer auf einen syrischen Mitbürger in Wismar hat bundesweit Schlagzeilen gemacht. Anscheinend unter dem Druck der Öffentlichkeit konnte die Polizei einen ersten Tatverdächtigen stellen. Es ist nicht der erste fremdenfeindliche Übergriff in der Hansestadt.

Von Franziska Wilke und Julian Feller

Ein 20-jähriger Zuwanderer ist in einem Park in Wismar in Mecklenburg-Vorpommern krankenhausreif geprügelt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurde der junge Mann am späten Mittwochabend von drei Tätern ausländerfeindlich beschimpft und zu Boden geschlagen. Einer der Angreifer schlug mit einer Eisenkette auf den 20-Jährigen ein. Anschließend flüchteten die Täter. [1] Der Mann habe einen Nasenbeinbruch und Prellungen erlitten. Nach einer ambulanten Behandlung konnte er die Klinik wieder verlassen, sagte ein Polizeisprecher. [2]

Eine Frau hatte Hilferufe gehört und die Polizei verständigt. Der Staatschutz sei eingeschaltet, weil ein fremdenfeindliches Motiv vermutet werde, sagte ein Polizeisprecher. Der Syrer musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Ein 26-jähriger Deutscher unter Tatverdacht sei vorläufig festgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. [3]

Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) erklärte nach der Tat, die Polizei werde „alles daran setzen, alle Täter zu ermitteln“. Dazu werde eine Sonderkommission eingerichtet. „Sollte sich tatsächlich ein rechtsextremistischer Hintergrund dieser feigen Tat bestätigen, macht mich das umso fassungsloser“, sagte Caffier. Es bestärke ihn aber, weiter „konsequent gegen die geistigen Brandstifter vorzugehen und diejenigen beim Namen zu nennen, die aus solchen Taten auch noch politisches Kapital schlagen wollen.“ [4]

Der Verein LOBBI, der sich um Opfer rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern kümmert, hat mit dem Vorfall am Mittwochabend in diesem Jahr fünf rechte Angriffe in der Hansestadt Wismar registriert: Im Januar brüllen drei Personen im Stadtteil Friedenshof neonazistische Parolen. Sie beleidigen mehrere Menschen und beschießen sie mit Feuerwerkskörpern. Ein Betroffener wird von einer Rakete am Kopf verletzt. Im April wird ein junger Mann aus Eritrea von einem Rechten mit einem Fahrrad angefahren. Danach schlägt ihm der Angreifer auf den Kopf. Das Opfer flieht in einen Supermarkt, wird aber verfolgt. Im Geschäft attackiert der Täter ihn erneut, Anwesende greifen nicht ein. Im Juli werden vor einem Wohnhaus vier Jugendliche von mehreren Personen rassistisch beleidigt und bedroht. Wenige Stunden später werden wieder Migranten bedroht. Die Polizei beschlagnahmt mehrere Waffen. [5]

Der Flüchtlingsrat MV in Wismar zeigte sich wenig überrascht von dem Vorfall. In der Stadt haben viele Leute ein Problem mit Zuwanderern, sagte ein Sprecher. Konflikte zwischen Einwohnern und Flüchtlingen gebe es immer wieder, Alltagsrassismus sei die Realität. Man wünsche sich deshalb mehr Unterstützung von Stadtpolitik und Polizei. [6]

Auch Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) reagierte entsetzt: „Ich wünsche dem Opfer rasche und vollständige Genesung”, erklärte sie am Donnerstagmittag. Der „abscheuliche Vorfall” werde hoffentlich schnell aufgeklärt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass eine fremdenfeindliche Stimmung um sich greift, die Wegbereiterin solcher Taten ist.” [7]

In Wismar hätten sich die Angriffe zuletzt auf die Stadtteile Wendorf und Friedenshof konzentriert, erklärte Herso Wacays von der Initiative Pro Bleiberecht, die sich für Geflüchtete und ihre Rechte einsetzt. Das Stadtbild sei geprägt von Aufklebern mit Hakenkreuzen oder der Aufschrift ‚Nazi-Kiez‘. „Rassistische Gewalt und Beleidigungen sind Teil des Alltags von uns Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern“, sagt der Somalier, der seit drei Jahren im Land lebt. „Auf der Straße, in Supermärkten, in der Bahn, in der Kita für unsere Kinder – wir müssen uns ständig damit auseinandersetzen.“ Jeder finde seinen eigenen Weg damit umzugehen – und verlasse im Zweifel nach 21 Uhr nicht mehr das Haus, sagte Wacays. [8]

Fußnoten:

[1] https://www.tagesschau.de/inland/wismar-zuwanderer-verpruegelt-101.html

[2] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-08/wismar-angriff-auf-migranten-eisenkette-mecklenburg-vorpommern-ermittlung

[3] http://www.ln-online.de/Lokales/Nordwestmecklenburg/Angriff-in-Wismar-Politik-warnt-vor-Pogromstimmung

[4] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/wismar-tatverdaechtiger-nach-attacke-auf-syrer-festgenommen-a-1225829.html

[5] http://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Polizei-Report/Aktuelle-Beitraege/Angriff-auf-Syrer-in-Wismar-Leider-kein-Einzelfall

[6] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Attacke-in-Wismar-Haftbefehl-beantragt,wismar600.html

[7] https://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/staatsschutz-richtet-nach-angriff-in-wismar-soko-ein-3033007908.html

[8] https://www.taz.de/Rassistische-Gewalt-in-Wismar/!5532435/