Verfassungsschutz & AfD: Gesamtpartei wird „Prüfffall“

Traditionell tun sich Verfassungsschutzbehörden schwer mit der Verfolgung und Aufklärung rechtsextremer Aktivitäten in der Bundesrepublik. Im Fall der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist der Druck nun jedoch so groß geworden, dass auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den im Raum stehenden blau-braunen Elefanten nicht mehr ignorieren kann.

Von Franziska Wilke und Marko Neuamann

Zwei Jahre nach der Einstufung der AfD als „Prüffall“ registriert das BfV eine deutlich gestiegene Radikalisierung. Der Verfassungsschutz sieht jetzt gewichtige Anhaltspunkte, dass es sich bei der AfD um eine rechtsextremistische Bestrebung handelt. Im Januar 2019 waren es nur „erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik“. Nach Erkenntnissen des BfV hat jedoch der Einfluss von Rechtsextremisten in der Partei ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Der sich gemäßigt gebende Parteichef Jörg Meuthen kann sich nur mit Mühe gegen die angeblich selbst aufgelöste, parteiinterne Vereinigung „Der Flügel“ um Björn Höcke und gegen weitere Gegner behaupten. [1]

Grundlage für die Beobachtung der gesamten AfD ist ein rund 1000 Seiten langes Gutachten des Verfassungsschutzes. Dafür haben die Juristen und Rechtsextremismus-Experten des Amts seit Anfang 2019 etliche Belege für mutmaßliche Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zusammengetragen. [2]

Allerdings hat das Bundesamt sich gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln verpflichtet, die Beobachtung der Gesamtpartei zunächst nur in begrenztem Umfang vorzunehmen. So sollen keine Abgeordneten auf Landes-, Bundes- oder Europaebene, oder Personen, die sich um ein Abgeordnetenmandat bewerben, mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werde, solange das Gericht zwei Eilanträge der AfD prüft. [3]

AfD-Parteivize Stephan Brandner kritisierte den Verfassungsschutz scharf. „Das Bundesamt hat entgegen klarer Zusagen nun unfair und rechtswidrig etwas durchgestochen“, sagte er der taz. Die Partei hatte zuvor schon dem Geheimdienst vorgeworfen, sich politisch vor den Landtags- und Bundestagswahlen instrumentalisieren zu lassen. Das jetztige Vorgehen unterstreiche dies, so Brandner. [4]

Dass ein Staat mittels seines Inlandsgeheimdienstes erklärt, dass die größte Oppositionspartei im Bundestag nicht ein wichtiges Element der Demokratie sei, sondern ein Feind der Demokratie – das ist nach deutschem Recht erlaubt. In den USA wäre es nicht möglich. Auch in Frankreich gibt es so etwas nicht, genauso in Großbritannien. Das ist ein Instrument, das in den frühen Tagen der westdeutschen Demokratie ersonnen wurde. Die Idee war: Schutz. Ein Inlandsnachrichtendienst sollte die Westdeutschen aufklären, bevor sie „wieder“ auf eine Partei wie die NSDAP „hereinfallen“ würden. [5]

Das mag damals eingeleuchtet haben. Heute aber mangelt es den Menschen, die der AfD ihre Wählerstimme geben, eher nicht an Aufklärung über die Ziele oder den wahren Geist der AfD. Die Leute fallen nicht herein (falls sie denn überhaupt 1933 hereingefallen sind und nicht vielmehr genau das haben wollten, was sie auch bekommen haben). Die Leute geben sich ihren politischen Illusionen nicht aus einem Mangel an seriösen Informationsquellen hin. Sondern aus Lust. [6]

Fußnoten:

[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/schwerer-schlag-fuer-die-rechtsaussenpartei-verfassungsschutz-stuft-afd-als-rechtsextremen-verdachtsfall-ein/26969230.html

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsextremismus-verdachtsfall-verfassungsschutz-beobachtet-afd-nun-bundesweit-a-136d80ce-4549-4a23-8174-19ad70f20643

[3] https://www.tagesschau.de/inland/afd-verfassungsschutz-verdachtsfall-103.html

[4] https://taz.de/Verfassungsschutz-stuft-Partei-ein/!5755634/

[5] https://www.sueddeutsche.de/meinung/afd-rassismus-verfassungsschutz-1.5223421

[6] https://www.sueddeutsche.de/meinung/afd-rassismus-verfassungsschutz-1.5223421